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Starke kurzzeitige Ausbrüche im Gammastrahlenbereich, sogenannte Gammastrahlenblitze oder Gamma-ray Bursts, entstehen vermutlich bei den gewaltigsten Explosionen im Universum. Jetzt haben Astronomen Hinweise dafür gefunden, dass zumindest bei bestimmten Ausbrüchen auch Magnetare, also extrem magnetische Neutronensterne, eine Rolle spielen.
Gammastrahlenblitze sind kurze und extrem helle Strahlungsausbrüche im Gammastrahlenbereich, die in weit entfernten Galaxien beobachtet werden. Sie sind auch im Deutschen oft unter ihrem englischen Fachausdruck bekannt: Gamma-ray Bursts, kurz GRBs. Lange Zeit rätselten Astronomen über die Ursache für diese Blitze. Ihre Erforschung ist nämlich alles andere als einfach. Da die Blitze vollkommen unerwartet in jeder beliebigen Region des Himmels erscheinen können, ist auch die Beobachtung relativ schwierig. Von großer Bedeutung ist dabei in der Regel die genaue Untersuchung des "Nachglühens" eines solchen Bursts, das sich nicht nur im Gammastrahlenbereich, sondern auch in verschiedenen anderen Wellenlängen beobachten lässt. Inzwischen unterscheidet man kurze und lange Gamma-ray Bursts, wobei ein Ausbruch schon als lang gilt, wenn er mehr als einige Sekunden dauert. Die lange Variante wird mit gewaltigen Supernova-Explosionen in Verbindung gebracht, die sich am Ende des nuklearen Lebens eines massereichen Sterns ereignen. Sie machen etwa 70 Prozent der beobachteten Gammastrahlenblitze aus. In seltenen Fällen allerdings können lange Gamma-ray Bursts auch mehrere Stunden andauern. Einer dieser extrem langen Ausbrüche war am 9. Dezember 2011 vom Satelliten Swift entdeckt worden. Er trägt den Namen GRB 111209A. Es handelte sich um einen der hellsten und längsten Gamma-ray Bursts, die je beobachtet wurden.
Die Beobachtung des Nachglühens dieses Ausbruchs mit dem Instrument GROND am 2,2-Meter-Teleskop der europäischen Südsternwarte ESO in La Silla und dem Instrument X-Shooter am Very Large Telescope der ESO in Paranal lieferte nun einen eindeutigen Hinweis darauf, dass mit dem Ausbruch tatsächlich eine Supernova verbunden war. Sie erhielt den Namen SN 2011kl. Erstmals konnte damit eine Verbindung zwischen einem extrem langen Gammastrahlenausbruch und einer Supernova hergestellt werden. "Da auf 10.000-100.000 Supernovae nur etwa ein langanhaltender Gammastrahlenausbruch kommt, muss der Stern, der explodiert ist, irgendwie besonders sein", erklärt Jochen Greiner vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching. "Bislang sind wir immer davon ausgegangen, dass diese GRBs von sehr massereichen Sternen - mit etwa der 50-fachen Masse der Sonne - stammen und dass sie die Entstehung eines Schwarzen Lochs signalisieren. Unsere neuen Beobachtungen der Supernova SN 2011kl, die nach dem GRB 111209A entdeckt wurde, ändern jetzt allerdings dieses Paradigma für GRBs von sehr langer Dauer." Bislang hatte man vermutet, dass die über vielen Woche nach dem Ausbruch beobachtete Strahlung im Infraroten und in optischen Wellenlängen mit dem Zerfall von radioaktivem Nickel-56 in Verbindung steht, das durch die Supernova-Explosion eines massereichen Sterns, eines sogenannten Kollapsars, entstanden ist. Die Beobachtungen von GRB 111209A zeigen jetzt, dass dies hier nicht der Fall sein kann. Die einzige Erklärung, die zu den Beobachtungen der mit GRB 111209A in Zusammenhang stehenden Supernova passt, ist, dass dabei ein sogenannter Magnetar eine entscheidende Rolle gespielt hat. Magnetare sind schnell rotierende Neutronensterne, deren Magnetfeld um ein Vielfaches stärker ist, als das normaler Pulsare. Ihre Beobachtungen würden, so die Astronomen, erstmals eine eindeutige Verbindung zwischen einer Supernova und einem Magnetar herstellen. "Die neuen Ergebnisse liefern hervorragende Belege für einen unerwarteten Zusammenhang zwischen GRBs, sehr hellen Supernovae und Magnetaren", so Paolo Mazzali von der Liverpool John Moores University in Liverpool und dem Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching. "Zwar wurden einige dieser Zusammenhänge auf theoretischer Grundlage bereits seit einigen Jahren vermutet, aber die Sachen untereinander in Verbindung zu bringen, ist eine aufregende neue Entwicklung." "Der Fall von SN 2011kl/GRB 111209A zwingt uns, eine Alternative zu dem Szenario des Kollapsars in Erwägung zu ziehen", fasst Greiner zusammen. "Diese Ergebnisse bringen uns einen großen Schritt weiter in Richtung eines neuen und klareren Bildes hinsichtlich der Funktionsweise von GRBs." Über ihre Ergebnisse berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der heute in der Zeitschrift Nature erschienen ist.
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