Pflanzenwachstum in Schwerelosigkeit
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
7. Juli 2015
Mit der Höhenforschungsrakete Mapheus-5 starteten
in der vergangenen Woche vier Experimente zu einem kurzen Flug über Schweden,
bei dem mehr als sechs Minuten lang Schwerelosigkeit herrschte. Neben drei
materialwissenschaftlichen Versuchen war auch ein Experiment an Bord, das
Informationen über das Wachstum von Pflanzen im All liefern sollte.
Die Kapsel mit vier DLR-Experimenten, die am
30. Juni 2015 mit einer Mapheus-5-Rakete
gestartet worden war, wurde anschließend
erfolgreich geborgen.
Foto: DLR [Großansicht] |
Am 30. Juni 2015 startete die Mobile Raketenbasis MORABA des Deutschen
Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) die Höhenforschungsrakete Mapheus-5
um 6.55 Uhr mit vier DLR-Experimenten an Bord. Die zwölf Meter hohe, zweistufige
Rakete flog vom schwedischen Raketenstartplatz Esrange bis in eine Höhe von 253
Kilometern - bereits nach 74 Sekunden herrschte dabei für mehr als sechs Minuten
Schwerelosigkeit für die Experimente aus der Materialphysik und der Biologie.
In dieser Zeitspanne reagierten Pflanzen auf die fehlende Erdanziehungskraft,
2.500 Stahlkugeln mit einem Durchmesser von 1,6 Millimetern kollidierten
miteinander, Metallproben wurden im Flug geröntgt und schwebende Metallkugeln
mit einem Laser geschmolzen. Etwa 15 Minuten nach dem Start landete der
Raketenteil mit den Versuchsanlagen an einem Fallschirm rund 70 Kilometer
nördlich des Raketenstartplatzes und wurde per Hubschrauber geborgen. Die
gewonnenen Daten werden nun in den Laboren analysiert und interpretiert.
Allen drei Experimenten des DLR-Instituts für Materialphysik im Weltraum ist
gemeinsam, dass sie für ihre Messungen die störenden Kräfte der
Erdanziehungskraft ausschalten möchten. Mit MEGraMA 2.0 untersuchen die
DLR-Wissenschaftler, wie Stoßprozesse ablaufen. Dafür wurden während des Flugs
2.500 kleine Kugeln zunächst wechselweise von acht Magneten angetrieben und
durch die Schwerelosigkeit gleichmäßig in einer Plexiglasbox verteilt - eine
Kamera zeichnete dann mit 165 Bildern in der Sekunde dreidimensional auf, wie
die Kugeln durch Kollisionen an Geschwindigkeit verlieren und sich zueinander
anordnen.
Dies wurde während der sechsminütigen Phase in Schwerelosigkeit mehrmals
wiederholt, um mehrere Datensätze zu gewinnen. "Mit diesem Versuch untersuchen
wir, wie Kollisionen in Granulaten ablaufen", erläutert Prof. Florian Kargl,
Wissenschaftler am DLR-Institut für Materialphysik im Weltraum und
wissenschaftlicher Leiter der drei beigesteuerten Experimente.
Im elektrostatischen Levitator (GOLD-ESL; Gravity Impact on Liquid Drops -
Electrostatic Levitation) schmolzen die DLR-Wissenschaftler verschiedene Proben
schwebend, das heißt ohne Berührung mit einer Tiegelwand. Dies war für die
Forscher eine Premiere: "Bisher konnte diese Technologie noch nicht über mehrere
Minuten in Schwerelosigkeit betrieben und getestet werden", sagt Kargl. "Mit
Mapheus5 möchten wir beweisen, dass diese hochkomplexe Levitationstechnik
nicht nur im Labor auf der Erde, sondern auch in Schwerelosigkeit funktioniert."
Ein elektromagnetischer Levitator (EML) ist bereits auf der Internationalen
Raumstation ISS im Einsatz, doch können die geringen elektromagnetischen Felder
selbst in Schwerelosigkeit noch einen Einfluss auf die aufgeschmolzenen Proben
haben. Mit dem ESL - dem nächsten Schritt in der Entwicklung - könnten in
Zukunft diese Einflüsse vermieden werden.
In der Röntgenradiographieanlage X-RISE wurden zwei Versuche zeitgleich
durchgeführt: Zum einen diffundierten in einer Scherzelle in der
Schwerelosigkeit Aluminium-Kupfer-Proben mit einem unterschiedlichen
Kupfergehalt. Im Sekundenrhythmus wurde währenddessen mit einer Kamera der
Diffusionsprozess in Echtzeit aufgezeichnet. Zum anderen untersuchten die
DLR-Materialphysiker die Mikrostrukturbildung, die während der Erstarrung der
Aluminium-Germanium-Proben abläuft, und dokumentierten diese mit
Röntgenradiographie.
Kurz vor dem Start der Rakete wurden die verschiedenen Metallproben
vollständig aufgeschmolzen und auf eine einheitliche Temperatur gebracht. Die
während des Flugs aufgezeichneten Daten zur Diffusion liefern den
Wissenschaftlern Erkenntnisse, mit denen sie identische Bodenexperimente
vergleichen und eichen können. Bei der Erstarrung wird in der Schwerelosigkeit
die durch die Erdanziehungskraft herrschende Flüssigkeitsströmung ausgeschaltet
- diese Daten werden dann dazu verwendet, Materialeigenschaften präziser zu
bestimmen und bestehende Erstarrungsmodelle zu überprüfen und zu optimieren.
Pflanzen spüren bereits ungefähr nach 20 Sekunden, wenn die Anziehungskraft
der Erde - und ihnen somit ein Unten und Oben - fehlt. Um festzustellen, wie
Pflanzen auf den Zustand der Schwerelosigkeit reagieren, schickten
Wissenschaftler des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin mehrere Tausend
Exemplare von Arabidopsis Thaliana - die Acker-Schmalwand - mit der
Mapheus-5-Rakete in die Schwerelosigkeit. "Die Acker-Schmalwand ist eine
leicht zu züchtende und bereits gut untersuchte Pflanze, sozusagen die Labormaus
unter den Blütenpflanzen", erläutert DLR-Biologe Dr. Jens Hauslage, "sie ist ein
guter Modellorganismus".
Sobald die Phase der Schwerelosigkeit endete, wurden die Pflanzen über die
Zugabe von Methanol in ihrem Zustand fixiert und nach dem Flug aus der Rakete
geborgen. Die pflanzlichen "Probanden" werden von DLR-Forschern nun analysiert,
aber auch an weitere Forschungsinstitute verteilt. "So erhalten wir am ehesten
ein Gesamtbild aller Veränderungen, wie sich Proteine, Stoffwechsel und das
Ablesen der Gene bei Pflanzen in Schwerelosigkeit verändern."
Sollen Pflanzen einmal bei zukünftigen Missionen ins All als Nahrungsmittel
und zur Sauerstoffproduktion eingesetzt werden, sei es wichtig zu wissen, wie
Schwerelosigkeit die Pflanzen und ihr Wachstum beeinflusst.
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