Neues Plasmalabor in Betrieb
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
3. Juli 2015
Auf der Internationalen Raumstation ISS ist seit Juni ein
neues Plasma-Kristalllabor in Betrieb. Es ist Teil des europäischen
Weltraumlaboratoriums Columbus. Das zuständige Team auf der Erde hat in ersten
Tests die Funktionsfähigkeit des Labors überprüft. Wertvolle Hilfe erhielten sie
dabei vom russischen Kosmonauten Padalka. Der wissenschaftliche Betrieb soll im
Herbst beginnen.
Der russische Kosmonaut Gennady Padalka bei
der Durchführung der ersten Referenzexperimente
mit dem Plasmakristall-Labor PK-4 im
Columbus-Modul der ISS. Am Laptopmonitor links
sieht Padalka den ersten, perfekt gelungenen
Partikeleinfang.
Foto: ESA / ROSCOSMOS [Großansicht] |
Forschen in der Schwerelosigkeit - die Internationale Raumstation ISS bietet
dazu einzigartige Möglichkeiten. Im Columbus-Modul wurde im Juni die
neueste Forschungseinheit in den wissenschaftlichen Betrieb genommen: das
Plasmakristall-Labor PK-4. Die Forschungsgruppe Komplexe Plasmen des Deutschen
Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat die Funktionsfähigkeit der
Laboreinheit getestet und bestätigt. Bei der Vorbereitung der künftigen
Experimente konnte das Team außerdem erste wissenschaftliche Daten gewinnen.
"Nach über einem Jahrzehnt von Planung, Design, Fertigung und Qualifikation
haben wir es jetzt endlich geschafft die wissenschaftliche Phase zu starten. Wir
sind hier dem gesamten Entwicklungsteam am Max-Planck-Institut für
extraterrestrische Physik in Garching und von OHB-München sehr dankbar.
Gemeinsam haben wir hier ein großartiges Labor auf Columbus zustande
gebracht, das uns hoffentlich über viele Jahre exzellente Wissenschaft
ermöglicht", so Dr. Hubertus Thomas, Leiter der DLR-Forschungsgruppe Komplexe
Plasmen.
Das PK-4 Labor ist vollständig betriebstüchtig - zur doppelten Freude der
Forscher. Denn die Gruppe hat nicht nur die wissenschaftliche Leitung für die
Experimente (gemeinsam mit einem russischen Partnerinstitut), sondern hat die
Apparatur auch selbst entwickelt. Die ersten Tests mit dem Labor nutzten Thomas
und seine Kollegen daher für Referenzmessungen.
Die Messungen helfen den Forschern die Apparatur unter den besonderen
Bedingungen der Schwerelosigkeit besser zu verstehen. Auch den Ablauf der
Experimente wollen sie anhand der Vergleichsdaten weiter automatisieren.
Unterstützung erhielten sie vom russischen Kosmonauten Gennady Padalka an Bord
der ISS.
Der Mann vor Ort hatte die heikle Aufgabe, die Messung im richtigen
Augenblick zu aktivieren. Das Kommando der Wissenschaftler im Kontrollzentrum
käme nicht rechtzeitig im Labor an. Die Datenübertragung zwischen Raumstation
und Erde ist um mindestens fünf Sekunden verzögert. Padalka musste also als
Experimentator einspringen. Dabei bewies er geschicktes Timing - ohne Mühe fing
er die flinken Partikel im Plasma ein. Denn glücklicherweise hatte er schon an
den beiden vorangegangenen Plasmaforschungslaboren auf der ISS gearbeitet.
Die Erfahrung des Russen zahlte sich aus, zur vollen Zufriedenheit der
Wissenschaftler. Die spektakulären Bilder der Plasmaversuche zogen auch die
Aufmerksamkeit der anderen anwesenden Kosmonauten und Astronauten im
Columbus-Modul auf sich. Einen Moment lang versammelten sie sich rund um
den Videomonitor von PK-4 und sahen zu, wie sich eine ruhige Partikelwolke
plötzlich in eine Scherströmung verwandelte. Ein Effekt, der entstand, wenn
Padalka (mit Hilfe aus dem Kontrollzentrum) für die Messungen einen starken
Laserstrahl in das flüssige komplexe Plasma lenkte.
Mit dem Plasmakristall-Labor lässt sich in der Schwerelosigkeit die Bewegung
einzelner Teilchen beobachten. Physikalische Prozesse, die normalerweise auf
Atom- oder Molekülebene ablaufen, werden sichtbar - und können gezielt
untersucht werden. Die nächsten PK-4 Experimente sollen unter anderem
Teilchenladungen und Ionenreibungskräfte bestimmen. Diese Größen sind
grundlegend für das Verständnis der Experimente auf der Raumstation.
Mit PK-4 betreibt die DLR-Forschungsgruppe Komplexe Plasmen zum dritten Mal
ein Labor auf der ISS. Ganz neu ist der Einsatz einer virtuellen "Tele
Science"-Einheit. Das System ist identisch zu der Apparatur an Bord der ISS und
virtuell damit verbunden. Bisher konnten Thomas und sein Team die Experimente
nur am Videobildschirm mitverfolgen und mussten den Experimentator vor Ort per
Audiokontakt anleiten. Jetzt können sie mit eigenen Augen beobachten, was im
"echten" Labor gerade passiert – und den Ablauf bei Bedarf ändern.
Unter Berücksichtigung der verzögerten Datenübertragung können die
Wissenschaftler ihre Experimente erstmals spontan an eine Situation anpassen.
Die Steuerung des Labors erfolgt von Toulouse aus, am Kontrollzentrum Centre
d'aide au développement des activités en micro-pesanteur et des opérations
spatiales (CADMOS). Das Columbus-Kontrollzentrum am DLR in
Oberpfaffenhofen ist für die Arbeit mit den Kosmonauten und Astronauten
zuständig, bei der Kommunikation und Einsatzplanung.
Das Plasmakristall-Labor soll nun für mindestens vier Jahre auf der ISS
betrieben werden. Nach den erfolgreichen Vorbereitungen plant die
DLR-Forschungsgruppe auch schon die nächste Etappe: den Start der
wissenschaftlichen Experimente. Im Herbst soll es damit losgehen.
|