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KECK
Quasar-Quartett gibt Rätsel auf
Redaktion / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie
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15. Mai 2015

Mit dem Keck-Teleskop auf Hawaii haben Astronomen das erste Quasar-Quartett entdeckt - vier seltene aktive Schwarze Löcher in direkter Nachbarschaft zueinander. Die Wahrscheinlichkeit für das Aufspüren eines solchen Quartetts ist nach den aktuellen Modellen äußerst gering. Hatten die Forscher also nur großes Glück oder stimmt etwas mit den Modellen nicht?

Quasare

Bild der Raumregion, in der sich das seltene Quasar-Quartett befindet. Die Positionen der vier Quasare sind durch Pfeile angezeigt. Bild: Arrigoni-Battaia & Hennawi / MPIA  [Großansicht]

Im Lotto zu gewinnen ist unwahrscheinlich genug. Aber wer vier Mal hintereinander im Lotto gewinnt, wird sich vermutlich fragen, ob das noch mit rechten Dingen zugeht. In genau dieser Situation befindet sich ein Team von Astronomen unter der Leitung von Joseph Hennawi vom Max-Planck-Institut für Astronomie. Die Wissenschaftler entdeckten mithilfe des Keck-Teleskops auf Hawaii das erste bekannte Quasar-Quartett: vier Quasare, jeder für sich genommen bereits ein sehr seltenes Objekt, in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander.

Quasare sind eine vergleichsweise kurze Phase in der Galaxienentwicklung, angetrieben vom Einfall von Materie auf das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum einer Galaxie. Während dieser Phase gehört der Galaxienkern zu den hellsten Objekten im Universum überhaupt - er sendet mehr als hundert Mal mehr Licht aus als der gesamte Rest der Galaxie mit seinen immerhin bis zu Hunderten von Milliarden von Sternen.

Weil Quasare so selten ist, liegen die bekannten Exemplare weit voneinander entfernt, mit typischen Abständen von einigen Hundert Millionen von Lichtjahren. Die Wahrscheinlichkeit, durch Zufall ein Quasar-Quartett zu finden, schätzen die Forscher auf eins zu zehn Millionen. Wie kam es also trotz der geringen Wahrscheinlichkeit zu dieser Entdeckung?

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Hier dürften die besonderen Eigenschaften der Raumregion ins Spiel kommen, in der die Quasare gefunden wurde. Sie sind in einen sogenannten Lyman-Alpha-Nebel eingebettet. Dabei handelt es sich um eine gigantische Wolke aus kühlem, vergleichsweise dichtem Wasserstoffgas, die durch die Strahlung der Quasare selbst zum Leuchten angeregt wird. Hennawi und seine Kollegen tauften dieses Gebilde den "Jackpot-Nebel", nachdem sie dort die vier Quasare gefunden hatten. Außerdem enthält die betreffende Raumregion besonders viel Materie. "Diese Raumregion enthält mehrere Hundert Mal so viele Galaxien, wie man in dieser Distanz erwarten würde," erläutert J. Xavier Prochaska von der University of California Santa Cruz.

Mit dieser ungewöhnlich großen Zahl an Galaxien ähnelt das System den Galaxienhaufen, in denen im heutigen Universum bis zu tausend Galaxien zusammengeschlossen sein können. Allerdings ist die Raumregion so weit von uns entfernt, dass ihr Licht mehr als zehn Milliarden Jahre benötigt hat, um uns zu erreichen. Die Beobachtungen zeigen diese Region daher so, wie sie vor mehr als zehn Milliarden Jahren aussah, weniger als vier Milliarden Jahre nach dem Urknall. Es handelt sich demnach um einen Proto-Galaxienhaufen, Vorläufer eines der massereichsten Galaxienhaufen im heutigen Universum.

Bei ihren Versuchen, ihren unwahrscheinlichen Zufallsfund zu verstehen, versuchten die Astronomen, alle diese ungewöhnlichen Eigenschaften mit einzubeziehen. "Wenn man etwas entdeckt, das dem heutigen Wissensstand nach extrem unwahrscheinlich ist, gibt es zwei Möglichkeiten", so Hennawi: "Entweder man hatte einfach nur gewaltiges Glück, oder es ist Zeit, die gängigen Theorien noch einmal genau unter die Lupe zu nehmen."

Die Forscher vermuten, dass es physikalische Prozesse gibt, die die Bildung von Quasaren unter bestimmten kosmischen Umweltbedingungen stark begünstigen. Zahlreiche theoretische Modelle sagen vorher, dass Quasar-Aktivität ausgelöst werden sollte, wenn Galaxien zusammenstoßen und miteinander verschmelzen; solche gewaltsamen Wechselwirkungen, so die Argumentation, könnten höchst effektiv Gas in das zentrale Schwarze Loch umlenken. Derartige Zusammenstöße sollten in einem dichten Protohaufen voller Galaxien deutlich wahrscheinlicher sein als anderswo.

"Auch der gigantische Emissionsnebel dürfte ein wichtiger Puzzlestein sein, denn er zeigt, dass es dort eine gewaltige Menge an dichtem, kühlen Gas gibt", so Fabrizio Arrigoni-Battaia, Doktorand am Max-Planck-Institut für Astronomie. Supermassereiche Schwarze Löcher werden nur dann zu Quasaren, wenn hinreichend viel Gas auf das Schwarze Loch fällt, und dafür wiederum könnte eine Umgebung, die zumindest auf großen Größenskalen reich an dem nötigen Gas ist, günstige Bedingungen bieten.

Andererseits würde man dem heutigen Verständnis über die Strukturbildung im Universum nicht erwarten, dass ein Protohaufen als Lyman-Alpha-Nebel in Erscheinung tritt. "Unsere heutigen Modelle der kosmischen Strukturbildung sagen aufgrund von Supercomputer-Simulationen vorher, dass massereiche Strukturen im frühen Universum mit extrem dünnen Gas gefüllt sein sollten, mit Temperaturen von rund zehn Millionen Grad", erklärt Sebastiano Cantalupo von der ETH Zürich. "Das Gas im Jackpot-Nebel ist im Vergleich dazu tausend Mal dichter und tausend Mal kühler." Und Hennawi ergänzt: "Extrem seltene Ereignisse haben die Macht, langgediente Theorien auf den Kopf zu stellen".

In diesem Sinne könnte auch die Entdeckung des ersten Quasar-Quartetts die Kosmologen dazu zwingen, das heutige Bild von der Entstehung von Quasaren und der massereichsten Strukturen im Universum zu überdenken. Über die aktuellen Beobachtungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel in der heute erscheinenden Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift Science.  

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siehe auch
Galaxien: Astronomen entdecken Doppel-Quasar - 9. Februar 2010
Links im WWW
Preprint des Fachartikels bei arXiv.org
Max-Planck-Institut für Astronomie
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