Chondren als Bausteine für Planeten?
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
23. April 2015
Millimetergroße Silikatkügelchen, sogenannte Chondren,
könnten die Bausteine nicht nur von Asteroiden, sondern auch von Planeten wie
der Erde gewesen sein. Das ergaben jetzt Simulationen eines internationalen
Forscherteams. Das neue Modell zeigt damit eine alternative Möglichkeit für die
Entstehung unserer Heimatwelt und anderer Objekte im Sonnensystem auf.
Ein junges Sonnensystem in dem gerade
Planeten entstehen (künstlerische Darstellung).
Bild: NASA/JPL-Caltech / T. Pyle (SSC) [Großansicht] |
Bruchstücke von Asteroiden fallen regelmäßig als Meteorite auf die Erde. Ein
genauer Blick auf ihre innere Struktur zeigt, dass sie aus nur millimetergroßen
Silikatkügelchen aufgebaut sind, sogenannten Chondren. Forscher halten diese
winzigen Partikel für die ursprünglichen Bausteine unseres Sonnensystems.
Allerdings war es bisher nicht möglich zu erklären, wie aus diesen Chondren die
Asteroiden entstanden sind. Eine neue Studie unter Leitung von Wissenschaftlern
der Universität von Lund in Schweden zeigt nun, wie dies möglich war - und dass
möglicherweise auch die Erde in einem ähnlichen Prozess geboren wurde.
"Chondren haben genau die richtige Größe", erklärt Andres Johansen von der
Universität von Lund, Leiter der neuen Studie. "Das Gas, das die junge Sonne
umkreiste, bremste sie so weit ab, dass sie vom Schwerfeld der Asteroiden
eingefangen werden konnten." Zusammen mit Kollegen aus den USA, Dänemark und vom
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen hat Johansen
diesen Prozess am Computer simuliert. "Wir gingen davon aus, dass sich
Asteroiden aus einer Art von kosmischen Chondren-Ozean heraus bildeten und dass
sie zunächst deutlich kleiner waren als heute", beschreibt Perdo Lacerda vom
MPS, der zu der Studie beigetragen hat, die Annahmen der Simulation.
In den Rechnungen wuchsen die Asteroiden rasch und erreichten bald
Durchmesser von bis zu tausend Kilometern. Dies entspricht etwa der maximalen
Größe der Brocken, die sich heute zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter
im so genannten Asteroidengürtel finden. Die größten von ihnen wuchsen in den
Simulationen jedoch weiter - bis zu einer Masse, die mit der des Mars
vergleichbar ist. Dies entspricht etwa zehn Prozent der Erdmasse. "Uns wurde
plötzlich klar, dass dieses schnelle Wachstum auch maßgeblich für die Entstehung
der Erde gewesen sein könnte", so Johansen.
Bisher hatten Forscher angenommen, dass sich die Erde während eines Zeitraums
von 100 Millionen Jahren durch Zusammenstöße von Protoplaneten, etwa marsgroßen
Körpern, gebildet hat. Unklar war dabei jedoch, wie ihrerseits diese
Protoplaneten entstanden waren. Die neue Studie zeigt nun eine andere
Möglichkeit: Ausgangspunkt waren Asteroiden, die durch den Einfang von Chondren
schnell auf Planetengröße wuchsen.
Untersuchungen von Marsmeteoriten stützen diese Theorie. Solche Studien
hatten bereits gezeigt, dass sich der Mars über einen Zeitraum von nur ein bis
drei Millionen Jahren gebildet haben muss. Dies entspricht der Zeitdauer des
Prozesses, den die Forscher nun am Computer simuliert haben. "Die heutigen
Asteroiden bestehen noch aus intakten Chondren. Dort finden sich noch Spuren
dieses Entstehungsprozesses", so Johansen. "Die inneren Planeten Merkur, Venus,
Erde und Mars hingegen sind nach ihrer Geburt geschmolzen. Hinweise auf ihre
ursprünglichen Bausteine gingen so verloren."
Auch die Größen der Körper im Kuipergürtel, einer Region jenseits der
Umlaufbahn des Neptuns, kann die neue Theorie erklären. "Die größten Objekte in
dieser Region wie etwa die Zwergplaneten Pluto und Eris haben ihren Ursprung
weiter innen im Sonnensystem. Dort konnten sie durch das Zusammenballen von
Chondren zügig wachsen und so ihre heutigen Ausmaße erreichen", so Lacerda. "Die
Körper hingegen, die auch ursprünglich zum Kuipergürtel gehörten, blieben
kleiner."
Über ihre Studie berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Science Advances erschienen ist.
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