Lauschen auf ein Signal von Philae
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
11. März 2015
Jetzt heißt es Daumendrücken: Ab Donnerstagmorgen um 5 Uhr
besteht theoretisch die Chance, dass sich der Lander Philae wieder über
die Sonde Rosetta bei seinem Team auf der Erde meldet. Am Lander-Kontrollzentrum
des DLR in Köln ist man vorbereitet und hofft auf einen Kontakt zu
Philae - wenn nicht in den nächsten Tagen, dann bei einer der späteren
Kommunikationsmöglichkeiten.

Screenshot aus einem in dieser Woche
veröffentlichten ESA-Zeichentrickfilm über die
bisherigen Abenteuer von Rosetta und Philae. Der
gesamte Film ist bei
Youtube
zu sehen.
Bild: ESA [Großansicht] |
Es wäre viel Glück im Spiel, wenn am 12. März 2015 um 5 Uhr direkt ein Signal
von Lander Philae zu hören wäre - schließlich steht der Lander an einem
recht schattigen Platz auf dem Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko und muss erst
genügend Energie tanken, bevor er aufwachen und sich melden kann. Dennoch: Die
erste Möglichkeit, dass Philae sich meldet, besteht, und deshalb wird
am 12. März die Kommunikationseinheit am Rosetta-Orbiter eingeschaltet,
die den Lander rufen wird.
"Philae erhält zurzeit ungefähr doppelt so viel Sonnenenergie wie im
November vergangenen Jahres", sagt Lander-Projektleiter Dr. Stephan Ulamec vom
Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Immerhin sind der Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko
und sein Begleiter Rosetta nur noch 300 Millionen Kilometer von der
Sonne entfernt. "Wahrscheinlich wird es trotzdem noch zu kalt für den Lander
sein, um aufzuwachen – aber ein Versuch ist es wert. Die Chancen steigen mit
jedem Tag."
Gleich mehrere Bedingungen müssen passen, damit Philae wieder in
Betrieb geht und im Lander-Kontrollzentrum des DLR die Arbeit mit dem Lander
aufgenommen werden kann. Zunächst muss es im Inneren des Landers wärmer als
minus 45 Grad Celsius werden, bevor Philae aus seinem Winterschlaf
erwachen kann. An seinem neuen Landeplatz Abydos erreicht ihn nur wenig Sonne,
und so waren die Temperaturen bisher deutlich niedriger als notwendig.
Zudem muss Philae über seine Solarpaneele mindestens mit 5,5 Watt
versorgt werden, damit er aufwacht. Untätig bleibt er dennoch nicht in seinem
Winterschlaf: "Philae ist so konstruiert, dass er seit November 2014
jedes bisschen Sonnenenergie dafür nutzt, sich aufzuheizen", erläutert Dr. Koen
Geurts vom DLR-Kontrollzentrum. Sobald er "merkt", dass er mehr als 5,5 Watt
Energie erhält und seine eigene Temperatur über minus 45 Grad Celsius liegt,
schaltet Philae sich ein, heizt sich weiterhin auf und versucht
zusätzlich, seine Batterie zu laden.
Einmal aufgewacht, schaltet Philae alle 30 Minuten seinen Empfänger
ein und lauscht, ob er Rosettas Signale hört. Auch dies kann er bei
einem noch sehr niedrigen Energiestand durchführen. "Zu diesem Zeitpunkt wissen
wir aber noch nicht, dass er wach ist", sagt DLR-Ingenieur Koen Geurts. "Um uns
eine Antwort zu schicken, muss Philae nämlich auch seinen Sender
einschalten – und dafür benötigt er zusätzliche Energie."
Es könnte also sein, dass der Lander zwar in 500 Millionen Kilometern
Entfernung bereits aus seinem Winterschlaf aufgewacht ist, seine Kraft aber noch
nicht ausreicht, um sein Team auf der Erde darüber zu informieren. Insgesamt 19
Watt benötigt Philae, damit er in Betrieb gehen und die Kommunikation
aufnehmen kann.
Zunächst einmal bis zum 20. März wird der Orbiter Rosetta den Lander
anfunken und auf eine Reaktion horchen. Am wahrscheinlichsten ist der Kontakt
bei elf Vorbeiflügen, bei denen der Orbiter in einer besonders günstigen
Konstellation zum Lander während eines Kometentages seine Bahn zieht – denn nur
dann steht Philae im Sonnenlicht und wird über seine Solarpaneele mit
Energie versorgt. Versucht wird die Kommunikation trotzdem kontinuierlich, weil
Philaes Umgebung sich seit der Landung im November 2014 geändert haben
könnte.
Bisher konnte Philae und seine genaue Lage noch nicht auf Bildern
der OSIRIS-Kamera identifiziert werden, und so arbeitet das Operations-Team im
DLR derzeit mit den Informationen, die ihnen die Aufnahmen der CIVA- und der
ROLIS-Kamera sowie die Erfahrungswerte zur Solarenergie im November bieten. "Wir
gehen aber davon aus, dass die Solarpaneele von Philae durch etwas
abgeschattet werden, was wir auf den bisherigen Bildern nicht sehen können."
Als erstes senden die DLR-Ingenieure deshalb immer wieder neue Kommandos an
den Lander, die das Heizen optimieren und den so gesparten Energieaufwand für
seine Kommunikation zur Erde zur Verfügung stellen. Selbst wenn Philae
noch nicht genügend Energie hat, um zu antworten – er könnte diese Kommandos
empfangen und ausführen. "Blindes Kommandieren" nennen die Ingenieure dies, denn
der Lander wird ihnen zunächst sehr wahrscheinlich keine Rückmeldung geben.
Getestet wurden diese Prozeduren am Bodenmodell des DLR-Nutzerzentrums für
Weltraumexperimente (MUSC). Auch für den Fall, dass die aufladbare Batterie von
Philae die Kältephase nicht überstanden hat, wappnen sich die
Ingenieure. "Wir arbeiten gerade daran, dass wir mit dem Lander und den
Instrumenten dann zumindest während der Kometentage und somit bei direkter
Sonnenbestrahlung arbeiten können."
Erst wenn Philae nicht nur aufwacht, sondern auch senden kann,
schickt er erste Daten zu seinem "Gesundheitszustand" zur Erde. "Diese Daten
werden wir dann auswerten: Wie geht es der aufladbaren Batterie? Funktioniert
noch alles am Lander? Welche Temperatur herrscht? Wie viel Energie erhält er?",
erklärt Geurts.
Abhängig von diesen Ergebnissen ist auch die wissenschaftliche Arbeit mit den
zehn Instrumenten an Bord von Philae. Kann die Batterie keine Energie
speichern oder nur wenig, bestimmt die Sonnenenergie während des Kometentages,
ob man eine abgespeckte Version der Messungen durchführen kann. Zurzeit gehen
die Wissenschaftler davon aus, dass Philae 1,3 Stunden lang im
Sonnenlicht steht. Insgesamt dauert ein Kometentag auf Churyumov-Gerasimenko
12,4 Stunden.
Lädt die Batterie hingegen wie geplant auf, kann auch in der Kometennacht
gearbeitet werden – so könnten beispielsweise Langzeitmessungen zum Zuge kommen.
Welches Instrument wann zum Einsatz kommt, legt das Team der beteiligten
Wissenschaftler gemeinsam fest.
"Sollten wir bis zum 20. März keinen Kontakt zu Philae aufbauen
können, werden wir dies bei der nächsten Gelegenheit wiederholen", sagt
Philae-Projektleiter Ulamec. Mit zunehmender Annäherung an die Sonne wird
auch die Energie größer, die der Lander über seine Solarpaneele erhält. "Sobald
wir mit Philae wieder kommunizieren können, kann die wissenschaftliche
Arbeit beginnen."
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