Frühreife Galaxie im jungen Universum
von Stefan Deiters astronews.com
2. März 2015
Astronomen haben eine überraschend entwickelte Galaxie im
jungen Universum entdeckt: Den Wissenschaftlern gelang es, in einem der
entferntesten bekannten Systeme Staub nachzuweisen. Sie werten dies als Hinweis
darauf, dass sich Galaxien nach dem Urknall sehr schnell entwickelt haben
müssen. Die Forscher nutzten das Very Large Telescope und Daten des
Radioteleskopverbunds ALMA.
Die Galaxie A1689-zD1 als verschwommener
rötlicher Fleck. Für das Bild wurden
Infrarotdaten und Daten aus dem sichtbaren
Bereich des Lichts verwendet.
Bild: ESO/J. Richard
Der Galaxienhaufen Abell 1689. Die Position
von A1689-zD1 ist markiert, die Galaxie
allerdings kaum zu erkennen.
Bild: NASA; ESA; L. Bradley
(Johns Hopkins University); R. Bouwens
(University of California, Santa Cruz); H. Ford
(Johns Hopkins University) und G. Illingworth
(University of California, Santa Cruz) [Großansicht]
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Die Galaxie A1689-zD1 ist eigentlich schon seit mehreren Jahren bekannt: Das
lichtschwache System, das sich nur beobachten lässt, weil sein Licht durch die
gravitative Wirkung des Galaxienhaufens Abell 1689 um einen Faktor von mehr als
neun verstärkt wird, wurde nämlich erstmals im Jahr 2008 auf Bildern des
Weltraumteleskops Hubble entdeckt. Allerdings gelang es damals nicht, die
Entfernung der Galaxie sicher zu bestimmen (astronews.com
berichtete).
Dies gelang nun einem Astronomenteam um Darach Watson von der Universität in
Kopenhagen. Die Wissenschaftler nutzten dazu das Very Large Telescope der
europäischen Südsternwarte ESO in der chilenischen Atacamawüste. A1689-zD1 ist
nach diesen Messungen so weit von uns entfernt, dass wir die Galaxie zu einer
Zeit sehen, in der das Universum gerade einmal 700 Millionen Jahre alt war und
damit nur etwa fünf Prozent seines heutigen Alters hatte.
"Nachdem wir die Entfernung der Galaxie mit dem VLT bestätigt hatten,
stellten wir fest, dass sie zuvor bereits mit ALMA beobachtet worden war", erinnert
sich Watson. "Wir hatten nicht damit gerechnet dabei viel zu entdecken, aber wir
waren dann doch alle begeistert, als wir feststellten, dass die Galaxie nicht
nur mit ALMA beobachtet wurde, sondern auch tatsächlich etwas zu erkennen war.
Eines der Hauptziele von ALMA ist die Suche nach Galaxien im jungen Universum
anhand ihrer Emissionen von kaltem Gas und Staub - und genau dies war zu
sehen." Das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) ist
ein Verbund von Radioteleskopen in der chilenischen Atacamawüste.
Eigentlich hatten die Astronomen erwartet, dass sie es bei A1689-zD1 mit
einem System zu tun haben würden, das sehr jung und unentwickelt aussieht. Wir
sehen die Galaxie nämlich in einer Epoche, in der das Leuchten der ersten Sterne gerade
das sogenannte "dunkle Zeitalter" im Universum beendete. Somit hatte niemand damit gerechnet, in
der Galaxie eine vielfältige Chemie und einen hohen Anteil von interstellarem
Staub anzutreffen.
Die Galaxie ist damit praktisch "frühreif". So fanden sich in ihr schwerere
Elemente, die erst im Inneren von Sternen entstehen müssen und nicht - wie
Wasserstoff und Helium - schon von Anfang an im Universum zur Verfügung standen.
A1689-zD1 muss, so ergaben die Beobachtungen, damals auch bereits einen hohen Anteil an Strahlung im fernen
Infrarot ausgesandt haben, was die Forscher als Hinweis auf die bereits erfolgte
Entstehung vieler Sterne und eine erhebliche Menge an schwereren Elementen
werten. Zudem scheint das Verhältnis von Staub zu Gas dem von sehr viel entwickelteren Galaxien zu gleichen.
"Wir wissen noch nichts über den genauen Ursprung des galaktischen Staubs",
erläutert Watson. "Unsere Daten deuten aber darauf hin, dass seine Produktion
sehr schnell, innerhalb von gerade einmal 500 Millionen Jahren mit Beginn der
Sternentstehung im Universum abläuft - ein sehr kurzer kosmologischer
Zeitrahmen, angesichts der Tatsache, dass die meisten Sterne mehrere Milliarden
Jahre existieren."
Für A1689-zD1 vermuten die Wissenschaftler, dass in der Galaxie entweder seit
etwa 560 Millionen Jahren nach dem Urknall mit einer moderaten Rate Sterne
entstanden sein müssen, oder das System eine Periode mit extrem heftiger
Sternentstehung durchlaufen haben muss.
"Diese unglaublich staubige Galaxie scheint es sehr eilig gehabt zu haben,
ihre ersten Generationen von Sternen entstehen zu lassen", meint Teammitglied
Kirsten Knudsen von der schwedischen Chalmers University of Technology.
"Zukünftig wird uns ALMA helfen, noch mehr solche Galaxien zu entdecken und so
herauszufinden, warum sie so schnell erwachsen werden wollen." Zuvor hatten die
Astronomen Zweifel gehabt, ob sich solche Galaxien überhaupt auf diese Weise mit
ALMA würden finden lassen.
Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen in der heute erscheinenden
Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift Nature.
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