Der verschwundene Braune Zwerg
von Stefan Deiters astronews.com
18. Februar 2015
Astronomen waren sich eigentlich sicher: Um das
Doppelsternsystem V471 Tauri muss ein Brauner Zwerg kreisen, denn nur
dadurch würden sich bestimmte Beobachtungen erklären lassen. Mit dem neuen
Instrument SPHERE am Very Large Telescope wurde nun nach dem Objekt gesucht.
Trotz exzellenter Daten fand man jedoch von dem Braunen Zwerg keine Spur.
Das Instrument SPHERE montiert am dritten
Teleskop des VLT. Das Instrument befindet sich in
dem schwarzen Kasten.
Foto: ESO / J. Girard [Großansicht]
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Das System V471 Tauri bestand ursprünglich einmal aus zwei ganz normalen
Sternen mit leicht unterschiedlicher Masse. Da sich Sterne mit größerer Masse
schneller entwickeln als masseärmere Sonnen, blähte sich der massereichere
Partner irgendwann zu einem roten Riesenstern auf. Dabei strömte dann Materie
aus der Hülle des Riesensterns auf den anderen Stern über und es bildete sich
schließlich eine Gashülle um beiden Sterne.
Der Rote Riese entwickelte sich zum Weißen Zwergstern, die Hülle
löste sich wieder auf und beide Sterne umkreisten sich nun in deutlich
geringerem Abstand - etwa alle zwölf Stunden einmal. Zwei Mal während jeder
gegenseitigen Umrundung scheinen sie sich dabei zu verdecken, was zu regelmäßigen
Helligkeitsschwankungen führt, wenn man das System von der Erde aus beobachtet.
V471 Tauri ist Teil des Hyaden-Sternhaufen und liegt rund 163 Lichtjahre von
uns entfernt im Sternbild Stier. Mit dem ULTRACAM-System des New Technology Telescope der ESO in La Silla haben Astronomen diese Helligkeitsschwankungen
äußert präzise vermessen. Der Zeitpunkt der vermuteten gegenseitigen Verdeckungen konnte
dabei auf zwei Sekunden genau bestimmt werden. Diese erwiesen sich allerdings als nicht so
regelmäßig wie eigentlich erwartet worden war.
Doch eine Erklärung dafür war schnell gefunden: Der gravitative Einfluss
eines nicht sichtbaren lichtschwachen Objekts, eines Braunen Zwergs, stört die Bahnen der
beiden Sterne. Die Forscher glaubten sogar Hinweise dafür zu haben, dass es
außer dem Braunen Zwerg noch einen zweiten kleinen Begleiter in dem System gibt.
Braune Zwerge sind stellare Objekte, die über nicht ausreichend Masse verfügen,
um die nuklearen Prozesse in ihrem Inneren dauerhaft zu zünden.
Bislang verfügten Astronomen nicht über die Möglichkeit, den sicher
vermuteten Braunen Zwerg auch tatsächlich abzubilden, da sich dieser einfach in
zu großer Nähe zu einem vergleichsweise hellen Stern befand. Mithilfe des neuen
Instruments Spectro-Polarimetric High-contrast Exoplanet REsearch (SPHERE) am
Very Large Telescope der ESO sollte dies aber nun möglich sein.
Gespannt suchten die Astronomen also mit SPHERE nach dem Braunen Zwerg - und
fanden nichts. Und dies, obwohl die Qualität der SPHERE-Beobachtungen
ausgezeichnet war und ein Objekt, wie es um V471 Tauri vermutet wurde,
ohne weiteres hätte erkennbar sein müssen. "Es gibt zahlreiche
Veröffentlichungen, die besagen, dass es solche Objekte um enge Doppelsternsysteme geben
sollte, doch diese Ergebnisse liefern ein vernichtenden Beweis gegen diese
These", urteilt Adam Hardy von der Universidad Valparaíso in Chile.
Wenn es den Braunen Zwerg allerdings nicht gibt, muss eine andere Erklärung
für die Unregelmäßigkeiten beim Umlauf der beiden Sterne oder für die
beobachteten Helligkeitsschwankungen her. Eine Möglichkeit wäre etwa, dass
bestimmte Variationen im Magnetfeld des größeren der beiden Sterne für die
Variationen in der Helligkeit verantwortlich sind.
"Schon seit Jahren hätte man eine solche Untersuchung machen müssen", so
Hardy, "doch ist sie erst durch neue leistungsfähige Instrumente wie SPHERE
möglich geworden. So funktioniert halt Wissenschaft: Beobachtungen mit neuen
Technologien können bisherige Theorien entweder bestätigten oder - wie in diesem Fall -
widerlegen. Das ist ein guter Start für den Beobachtungsbetrieb mit diesem
tollen Instrument."
Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen in einem heute erschienenen
Fachartikel in der Zeitschrift Astrophysical Journal Letters.
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