Mehr sehen durch ausgezeichnete Kamera
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Würzburg astronews.com
9. Dezember 2014
Zwei Astroteilchenphysiker haben eine Kamera entwickelt, mit
der sich eine lückenlose Beobachtung von Quellen kosmischer Gammastrahlung auch
bei hellem Mondlicht bewerkstelligen lässt. Die Kamera ist bislang am
FACT-Teleskop auf La Palma im Einsatz, soll aber bald auch an anderen Teleskopen
eingesetzt werden. Die Entwicklung wurde von der DPG nun ausgezeichnet.

Das
FACT-Teleskop der Europäischen Nordsternwarte auf
La Palma arbeitet mit der neuen Kameratechnologie
- auch bei Vollmond.
Foto: Daniela
Dorner [Großansicht] |
Große Freude in der Würzburger Astrophysik: Die Wissenschaftlerin Daniela
Dorner wird gemeinsam mit ihrem Kollegen Thomas Bretz, der einige Jahre seiner
Forscherkarriere in Würzburg verbracht hat, mit dem mit 7.500 Euro dotierten
Gustav-Hertz-Preis 2015 der Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG)
ausgezeichnet, der im März 2015 in Berlin überreicht wird. Die zwei Preisträger
hätten, so die Begründung, der Astroteilchenphysik durch ihre Beiträge zur
Verbesserung von Tscherenkow-Teleskopen "einen originellen und zukunftsweisenden
Impuls" gegeben.
Dieser Erfolg gelang Bretz und Dorner im Rahmen des deutsch-schweizerischen
Projekts FACT (First Geiger-Mode Avalanche Photodiode Cherenkov Telescope), an
dem auch Wissenschaftler der TU Dortmund, der ETH Zürich und der Universität
Genf beteiligt sind. Tscherenkow-Teleskope für die Beobachtung kosmischer
Gammastrahlung beruhten bislang auf dem Nachweis einzelner Photonen mit so
genannten Photomultiplier-Röhren. Diese Photosensoren benötigen Hochspannung im
Kilovoltbereich und lassen sich bei Teleskopen unter freiem Himmel daher nur mit
großem Aufwand betreiben. Außerdem sind sie bei hellem Mondlicht überlastet und
müssen dann abgeschaltet werden. So kommt es regelmäßig zu Datenlücken.
Eine kontinuierliche Beobachtung ist aber gerade bei veränderlichen
astronomischen Quellen wichtig. Besonders aktive Galaxienkerne zeigen extreme
Helligkeitsschwankungen, die für das Verständnis physikalischer Prozesse in der
Nähe Schwarzer Löcher wichtig sind. Um hier einen Fortschritt zu erzielen, waren
hoch empfindliche Photosensoren nötig, die wenig Strom und keine
Hochspannungsversorgung brauchen, gleichzeitig aber eine
Nanosekunden-Zeitauflösung besitzen.
Angesichts dieser Herausforderung half eine Idee des kürzlich verstorbenen
Physikers Eckart Lorenz vom Max-Planck-Institut für Physik in München weiter:
Man könne versuchen, eine Kamera mit Halbleiter-Photosensoren auf Siliziumbasis
für ein Tscherenkow-Teleskop zu entwickeln. Dieser Vorschlag erschien zunächst
ungeeignet und viele Experten rieten davon ab.
Dennoch entschlossen sich Bretz und Dorner mit der FACT-Kollaboration, den
Schritt zu wagen: Sie entwickelten eine entsprechende Kamera, die an der ETH
Zürich gebaut wurde, und installierten sie in einem Teleskop auf der
Kanareninsel La Palma, im Observatorium auf dem Berg Roque de los Muchachos,
2.200 Meter über dem Meeresspiegel. Dieser FACT-Kamera macht ein Zuviel an
Mondlicht nichts aus.
Bretz gelang es, die Kamera so zu optimieren, dass sie unter anderem in
Sachen Datenqualität deutlich besser ist als die bislang eingesetzte Technik.
Den weitaus höheren Datenstrom aus dieser Kamera konnte dann Dorner mit
Datenbanken "zähmen". Durch ein ausgeklügeltes Rückkopplungsystem erreichten die
beiden zudem eine gleichbleibend hohe Konsistenz der Daten. Die Software
bereiteten sie so vor, dass ein reibungsloser Observatoriumsbetrieb mit der
neuen Teleskop-Technik möglich war.
Schon nach einer kurzen Einweisung ist es selbst einem Laien möglich, mit dem
Teleskop astronomische Gammaquellen zu beobachten, etwa den Krebsnebel, ein
1.000 Jahre alter Supernova-Überrest im Sternbild Stier, oder den rund 500
Millionen Lichtjahre entfernten aktiven Galaxienkern Markarian 421 im Sternbild
Großer Bär.
Wirklichkeit wurde auch, was ursprünglich als Jux der Preisträger gedacht
war: Die Beobachtungen mit dem neuen System lassen sich über ein
Smartphone-Interface steuern. Denn Bretz und Dorner ist es gelungen, die
komplexe Funktionalität der FACT-Technik wie bei einem Schweizer Taschenmesser
einzukapseln und zu automatisieren.
Zum Einsatz soll die neue Technik auch beim MAGIC-Teleskopsystem der
Europäischen Nordsternwarte auf La Palma kommen. Am Betrieb von MAGIC ist das
Team des Würzburger Astronomie-Lehrstuhlinhabers Karl Mannheim maßgeblich
beteiligt. "Die neue Kamera gilt inzwischen als bewährte Technologie", so
Mannheim. Sie werde darum auch bei zukünftigen Großgeräten wie dem Cherenkov
Telescope Array (CTA) eingesetzt, das voraussichtlich 2020 in Betrieb gehen
soll.
Vielleicht kann mit FACT eines Tages auch die Idee verwirklicht werden, die
die beiden Preisträger schon vor Jahren umtrieb: Ein Netzwerk von weltweit
verteilten Tscherenkow-Teleskopen soll die Datenlücken schließen, die sich durch
die Erdrotation ergeben. Wenn in La Palma der Sonnenaufgang naht, würden
zunächst Teleskope in Amerika und anschließend in Asien die Beobachtungen
fortsetzen, bis die Sonne schließlich wieder in La Palma untergeht.
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