Schmelzofen beginnt mit Probebetrieb
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
11. November 2014
Der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst ist inzwischen
wieder auf der Erde, die Inbetriebnahme eines von ihm auf der ISS montierten
Schmelzofens für Experimente aus der Materialwissenschaft dauert allerdings noch
an. Beim Zusammenbau hatte es nämlich Probleme gegeben. Erst mithilfe von
Rasierschaum und einer Säge bekam man einen klemmenden Bolzen in den Griff.
Ohne Behälter schmelzen: mit dem
Elektromagnetischen Levitator (EML) an Bord der
ISS ist das möglich.
Foto: DLR
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Ein widerspenstiger Bolzen und knifflige Zusammenbauten im All machen den
Elektromagnetischen Levitator (EML) schon vor seinem wissenschaftlichen Einsatz
zu einem besonders anspruchsvollen Experiment auf der Internationalen
Raumstation ISS.
In einer überirdischen Zusammenarbeit bereiteten Astronaut Alexander Gerst im
All und das Team im Kontrollraum des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt
(DLR) zusammen mit Ingenieuren von Airbus Defence and Space auf der
Erde den Schmelzofen für die ersten Testläufe vor.
Während Gerst die Rückreise zur Erde antritt, steuert das Team nun den
Schmelzofen und testet ihn für die ersten Experimente. "Als nächstes steht eine
Art Trockenübung an - die Probe fährt in den Ofen, wird erhitzt, aber noch nicht
geschmolzen", erläutert Angelika Diefenbach, DLR-Projektleiterin für die Nutzung
des EML.
Ist der Schmelzofen bereit für seinen Einsatz, sollen metallische Proben frei
schwebend aufgeschmolzen werden und ohne störende Einflüsse und Wechselwirkungen
untersucht werden. Damit erhalten die Materialphysiker Daten, die ihnen die
thermophysikalischen Eigenschaften der Proben unverfälscht von externen Kräften
aufweisen. Doch bevor es soweit ist, waren und sind zahlreiche minutiös geplante
Arbeitsschritte notwendig, um den Schmelzofen für den Betrieb zu installieren,
zu testen und schließlich zu betreiben.
Ende Juli 2014 startete der Schmelzofen an Bord des europäischen
Raumtransporters ATV-5 Georges Lemaître zur Internationalen
Raumstation. Neun riesige Pakete, gut verpackt und zum Teil waschmaschinengroß,
mussten ausgeladen, in einer ausgeklügelten Choreographie durch die ISS
befördert und an ihren Bestimmungsort, das Forschungslabor Columbus,
gebracht werden. Dort sollte Astronaut Gerst die verschiedenen Bestandteile
passgenau in ein vorhandenes Experiment-Rack einbauen.
Bis ins letzte Detail wurden Pläne vorbereitet, mit denen Gerst bereits vor
seiner Abreise zur ISS immer wieder den Zusammen- und Einbau im All trainierte.
Ziel der Aufgabe, benötigte Werkzeuge, voraussichtliche Dauer, exakte
Anweisungen für jeden einzelnen Handgriff, Ausrichtung der beiden Kameras, mit
denen das Bodenteam die Arbeiten beobachten konnte - alles musste vom Team des
DLR-Nutzerzentrums für Weltraumexperimente (MUSC) in sogenannten Prozeduren
aufgelistet und immer wieder perfektioniert werden.
Gerst baute einzelne Komponenten wie eine Wasserpumpe ein, während im
DLR-Kontrollraum das Team über Kameras die Arbeiten mitverfolgte und den
Astronauten unterstützte. Schließlich passierte es: Ein Bolzen klemmte –
ausgerechnet auf der glatten Fläche, auf der die Kamera des Schmelzofens sitzen
sollte. "Innerhalb weniger Tage haben wir mehrere Arbeitsabläufe geschrieben",
sagt Diefenbach, die mit ihrem Team damals fieberhaft nach einer Lösung suchen
musste. Einfach mit der Zange ließ sich der Bolzen nicht lösen, Säge und Feile
mussten zum Einsatz kommen, ohne dass Astronaut Alexander Gerst zum Beispiel
herumschwebende Sägespäne einatmen könnte.
Die Idee: Rasierschaum! Der Astronaut schmierte die Sägestelle ein, sägte -
und das Schrauben-Problem war erledigt. "Von da an ging die Installation des EML
reibungslos über die Bühne." Allerdings: Der ursprüngliche Zeitplan war damit
hinfällig, der Bolzen hatte für eine deutliche Verzögerung geführt und die
Astronauten-Arbeitszeit war knapp und verplant. "Es war sehr hilfreich, dass
Alexander Gerst sich sehr für das Experiment eingesetzt hat und bereit war, in
seiner frei verfügbaren Zeit daran zu arbeiten." Gemeinsam mit dem
DLR-Kontrollraumteam installierte er den von Airbus Defence and Space
im Auftrag der ESA und des DLR gebauten Schmelzofen - nun folgen die
Inbetriebnahme und die dafür notwendige Testphase.
Die Überprüfung der Anlage und ihrer Subsysteme ist mittlerweile
abgeschlossen. "Dafür steuern wir den EML immer wieder mit unzähligen
Einzelkommandos an, um alle Komponenten zu testen." Gas- und Vakuumsystem,
Videokamera, Kommunikationskanäle zum Boden - alles wurde auf die Probe
gestellt. Was jetzt folgt, ist der letzte Schritt, bevor die wissenschaftliche
Nutzung möglich ist und die ersten Experimente anlaufen können: Die
Wissenschaftler des DLR steuern die erste Probe in den Schmelzofen und werden
vier Tage und drei Nächte lang den Experimentablauf testen, ohne die Probe
tatsächlich zu schmelzen.
550 Experimente werden alleine im nächsten Jahr mit dem Elektromagnetischen
Levitator durchgeführt. In den ersten zwei Jahren wird der Schmelzofen von mehr
als 50 Wissenschaftlern aus Belgien, Deutschland, England, Finnland, Frankreich,
Italien, Österreich, Schweiz, Spanien und Ungarn sowie Forschern aus Japan,
Kanada, Korea, Russland, USA und Unternehmern der metallverarbeitenden Industrie
genutzt.
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