Weiterer Hinweis auf Natur der Dunklen Materie?
Redaktion
/ Pressemitteilung der RWTH Aachen astronews.com
19. September 2014
Am CERN in Genf wurden gestern die neusten Ergebnisse des
Alpha-Magnet-Spektrometers (AMS) vorgestellt, das an Bord der Internationalen
Raumstation ISS die Partikel der kosmischen Strahlung misst. Die neuen Daten
könnten weitere Hinweise auf die Natur der Dunklen Materie liefern und etwa für
die Existenz sogenannter Neutralinos sprechen.
Blick auf das
AMS-Experiment, das an der ISS montiert ist. Die
Aufnahme entstand im Sommer 2011 während eines
Außenbordeinsatzes.
Bild: NASA
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Gestern wurden am europäischen Forschungszentrum CERN in Genf die jüngsten
Ergebnisse der Messung hochenergetischer Elektronen und Positronen mithilfe des
Detektors AMS an Bord der Internationalen Raumstation ISS vorgestellt. Nach
Angaben von Professor Dr. Samuel C.C. Ting, Sprecher des AMS-Projektes, basieren
die Resultate auf etwa 41 Milliarden in den letzten drei Jahren mit dem
Teilchendetektor AMS aufgezeichneten Ereignissen. Etwa 10 Millionen davon wurden
als Elektronen und Positronen identifiziert.
Dabei hat AMS den Positronen-Anteil, das heißt das Verhältnis der Anzahl
gemessener Positronen zur Gesamtsumme der Positronen und Elektronen, im
Energiebereich von 0.5 bis 500 Giga-Elektronenvolt (GeV) gemessen. Ab einer
Energie von 8 GeV steigt dieser Anteil rapide an und hat - wie jetzt erstmals
gezeigt werden konnte - ein Maximum bei etwa 275 GeV. Dies deutet auf eine neue
Quelle von Positronen hin.
Die präzise Messung des Positronen-Anteils könnte entscheidende Hinweise zum
Verständnis des Ursprungs der Dunklen Materie liefern. So könnten etwa
Kollisionen von Teilchen der Dunklen Materie einen Positronen-Überschuss
erzeugen. Kollisionen der gewöhnlichen kosmischen Strahlung mit dem
interstellaren Medium haben zur Folge, dass der Positronen-Anteil bei steigender
Energie kontinuierlich abnimmt, was den jetzt vorgestellten Ergebnissen von AMS
widerspricht.
Je nach den Eigenschaften der Dunklen Materie hat der überschüssige
Positronen-Anteil eine ganz eigene Signatur. Die neuen Ergebnisse lassen auf
die Beobachtung eines neuen physikalischen Phänomens schließen und seien, so das
Team, mit der Existenz eines Neutralinos, eines möglichen Teilchens der Dunklen
Materie, vereinbar.
Um jedoch festzustellen, ob das beobachtete neue Phänomen tatsächlich auf die
Existenz Dunkler Materie zurückzuführen ist oder auf andere astrophysikalische
Quellen wie beispielsweise Pulsare, müssen weitere Messungen mit AMS
durchgeführt werden. Diese sollen die Rate der Abnahme des Positronen-Anteils
jenseits des nun nachgewiesenen Maximums bestimmen, sowie auch den Anteil der
Antiprotonen in der kosmischen Strahlung vermessen.
Darüber hinaus war es dem AMS-Team möglich, präzise Messungen des Elektronen-
und Positronen-Flusses vorzunehmen, also die Intensitäten der Elektronen und
Positronen in der kosmischer Strahlung zu ermitteln. Die Messungen zeigen
erstmals quantitativ, wie sehr sich Elektronen und Positronen in der
Energieabhängigkeit und in der Intensität des Flusses unterscheiden. Das
Verhalten des Flusses als Funktion der Energie wird durch den Spektralindex
charakterisiert; erwartet wurde ein Fluss proportional zur Energie potenziert
mit dem Spektralindex. Das Ergebnis zeigt aber, dass keiner der Flüsse mit einem
konstanten Spektralindex beschrieben werden kann.
Insbesondere zeigt sich im Bereich zwischen 20 und 200 GeV
überraschenderweise, dass die Änderungsrate des Positronen-Flusses höher ist als
die Änderungsrate des Elektronen-Flusses. Damit wird klar, dass der Überschuss
des Positronen-Anteils auf einen relativen Überschuss von hochenergetischen
Positronen zurückzuführen ist – wie er bei einer Kollision Dunkler Materie zu
erwarten ist –, und nicht auf den relativen Verlust beziehungsweise die relative
Abnahme hochenergetischer Elektronen.
Die Beobachtungen zu den Elektronen- und Positronen-Flüssen belegen den
fundamentalen Unterschied zwischen Materie (Elektronen) und Antimaterie
(Positronen). Schon andere Experimente hatten in den letzten 50 Jahren versucht,
den Gesamtfluss aus Elektronen und Positronen in der kosmischen Strahlung zu
bestimmen. Einige haben in diesem Spektrum Strukturen in dem Energiebereich 300
bis 800 GeV beobachtet, die als Hinweis auf neue physikalische Effekte gewertet
wurden. Die neuen Ergebnisse von AMS zeigen einen glatten Gesamtfluss und
schließen damit solche Effekte bis zu einem Energiebereich von 1.000 GeV aus.
Das Alpha-Magnet-Spektrometer (AMS) ist ein sieben Tonnen schweres und 1,5
Milliarden Euro teures Instrument, das zehn Jahre lang von mehr als 500
Forschern und Ingenieuren aus 16 Ländern entwickelt wurde. AMS wurde im Mai 2011
mit dem letzten Flug des Space Shuttles Endeavour zur Internationalen
Raumstation gebracht. Die Wissenschaftler gehen von einer Betriebszeit bis 2024
für AMS aus. In Deutschland werden die Arbeiten durch das DLR gefördert.
Prof. Stefan Schael von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule
Aachen koordinierte die deutschen Beiträge und hat mit seinem Team mehrere
AMS-Komponenten in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Prof. Wim de Boer am
Karlsruher Institut für Technologie entwickelt und gebaut. Zusammen mit dem
Jülich Supercomputing Centre unter Leitung von Prof. Thomas Lippert hat diese
Gruppe jetzt maßgeblich zu den neuen Ergebnissen beigetragen.
Über die aktuellen Messungen berichten die Wissenschaftler jetzt in der Fachzeitschrift
Physical Review Letters.
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