SpaceX und Boeing sollen Crews zur ISS bringen
von Stefan Deiters astronews.com
17. September 2014
Schon vor einigen Jahren hatte sich die amerikanische
Raumfahrtbehörde NASA entschieden, den Transport von Astronauten zur
Internationalen Raumstation ISS kommerziellen Anbietern zu überlassen. Drei
Unternehmen entwickelten entsprechende Konzepte, zwei davon erhielten gestern
den Zuschlag: Boeing und SpaceX sollen ab 2017 im Auftrag der NASA bemannte
Flüge zur ISS durchführen.
So könnte es
einmal aussehen: Ein Raumschiff vom Typ Boeing
CST-100 nähert sich der ISS.
Bild: NASA [Großansicht] |
Das, über was alle Medien heute berichten, ist eigentlich keine Neuigkeit: Die
amerikanische Raumfahrtbehörde NASA plant nämlich schon länger, den Transport von Astronauten zur
Internationalen Raumstation ISS kommerziellen Anbietern zu überlassen, um sich so
aus der gegenwärtigen Abhängigkeit von Russland zu befreien. Als Termin für den
ersten Flug eines solchen kommerziellen Crew-Transporters zur ISS wurde schon
immer das Jahr 2017 genannt. Auch astronews.com hatte darüber
mehrfach berichtet.
Doch warum melden Zeitungen, Nachrichten und Fernsehen seit gestern Abend, dass
die NASA die Rückkehr zur bemannten Raumfahrt bekannt gegeben hätte? Ganz
einfach: Bislang entwickelten im Rahmen des sogenannten Commercial Crew
Programs drei konkurrierende Firmen Konzepte für einen kostengünstigen und
sicheren Transport von Astronauten zur Raumstation: Das Unternehmen SpaceX, das
mit seiner Dragon-Raumkapsel schon unbemannte ISS-Versorgungsflüge für die NASA
durchführt, der Luft- und Raumfahrtkonzern Boeing, der zu diesem Zweck die
Raumkapsel CST-100 entwickelt, und das Unternehmen Sierra Nevada Corporation,
das mit der kleinen Raumfähre Dream Chaser zur ISS fliegen wollte.
Gestern hat die NASA nun bekannt gegeben, welche dieser Firmen entsprechende
Verträge zur Weiterentwicklung ihrer Konzepte erhalten: Es sind SpaceX und
Boeing. SpaceX hatte ihre für den Personentransport modifizierte
Dragon-Kapsel
schon vor einigen Monaten vorgestellt (astronews.com
berichtete). Boeing war nun mit einem ähnlichen
Kapsel-Konzept erfolgreich.
Boeing wird einen Vertrag über 4,2 Milliarden
US-Dollar erhalten, SpaceX einen Vertrag über 2,6 Milliarden US-Dollar. Dafür
sollen die Systeme entwickelt und ein erfolgreicher bemannter Testflug
durchgeführt werden. Ist der Zertifizierungsprozess abgeschlossen, können beiden
Unternehmen mit Aufträgen für zwei bis sechs Flüge zur ISS rechnen.
Auf der Strecke geblieben ist die Sierra Nevada Corporation mit ihrem
innovativen Dream Chaser, der wie eine kleine Raumfähre auf einer normalen
Landebahn landen sollte. Ob die Entwicklung dieses Konzepts nun weitergeführt
wird, ist bislang unklar. Kenner der Materie weisen zudem darauf hin, dass bislang
nicht absehbar ist, ob der US-Kongress tatsächlich ausreichend Geld zur Verfügung stellen
wird, um
die Entwicklung von gleich zwei Raumschiffen zu erlauben. Eventuell könnte die NASA also gezwungen
sein, sich für eines der beiden Projekte zu entscheiden.
Die NASA zelebrierte die gestrige Bekanntgabe der Entscheidung mit
entsprechendem nationalem Pathos: "Vom ersten Tag an hat die
Obama-Administration deutlich gemacht, dass die größte Nation der Erde beim
Zugang zum Weltall nicht von anderen Nationen abhängig sein darf", meinte NASA-Administrator
Charles Bolden am Kennedy Space Center.
"Dank der Führung von Präsident Obama, der harten Arbeit der NASA und der Teams
in der Industrie sowie der Unterstützung des Kongresses sind wir heute dem Start
von Astronauten mit einem amerikanischen Raumschiff von amerikanischem Boden
wieder ein Stück näher gerückt und können die alleinige Abhängigkeit der Nation von
Russland im Jahr 2017 beenden", so Bolden weiter. "Durch die Übertragung von
Transportaufgaben an die Privatwirtschaft kann sich die NASA voll auf
ambitioniertere Missionen konzentrieren, wie eine Reise von Menschen zum Mars."
In der Regierungszeit von Präsident George W. Bush hatte die NASA geplant, ein
System aus Trägerraketen und Raumkapseln als Ersatz für die Space Shuttle zu
entwickeln. Sie sollten sowohl die Internationale Raumstation versorgen, als auch für bemannte Missionen zum Mond oder zum Mars verwendet werden
können. Die Entwicklung kam jedoch deutlich langsamer voran als geplant und die Kosten
liefen vollkommen aus dem Ruder.
Präsident Obama entschied dann, dass sich die NASA aus dem Flugbetrieb in den
niedrigen Erdorbit - wo sich auch die ISS befindet - zurückzieht und stattdessen
private Firmen bei der Entwicklung entsprechender Raumtransportsysteme
unterstützt. Die NASA entwickelt gegenwärtig eine Schwerlastträgerrakete und ein
zugehöriges Raumschiff, mit dem bemannte Missionen etwa zu einem Asteroiden oder
auch zum Mars durchgeführt werden können.
SpaceX und Orbital Science führen inzwischen kommerzielle ISS-Versorgungsflüge
im Auftrag der NASA aus. Der nächste Schritt dieser Strategie ist nun, dass auch
bemannte private Raumschiffe die ISS anfliegen. Gegenwärtig können zum Transport
von Astronauten zur ISS nur die russischen Sojus-Raumschiffe genutzt werden. Sie
dienen gleichzeitig auch als "Rettungsboot" für die Besatzung. Auch diese Rolle
sollen künftig die von SpaceX und Boeing entwickelten Raumkapseln übernehmen.
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