Knorpel der Astronauten im Visier
Redaktion
/ Pressemitteilung der Deutschen Sporthochschule Köln astronews.com
2. September 2014
Seit über vier Monaten ist der deutsche ESA-Astronaut
Alexander Gerst nun schon auf der Internationalen Raumstation ISS. Die
Schwerelosigkeit hat auch Auswirkungen auf seinen Körper, für die sich
Raumfahrtmediziner auf der Erde interessieren. Im Blickpunkt von Forschern aus
Köln stehen die Knorpel im Kniegelenk der Astronauten.
Der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst
auf der ISS.
Foto: NASA [Großansicht] |
Seit über vier Monaten befindet sich der deutsche ESA-Astronaut Alexander
Gerst im Rahmen der Mission Blue Dot nun auf der Internationalen
Raumstation ISS. "Ich wünschte, jeder Mensch könnte einmal einen Sonnenaufgang
aus dem Orbit sehen. Habe jedes Mal eine Träne im Auge", twitterte der
38-Jährige aus dem Weltall. Neben der Faszination stellt ein Aufenthalt in
Schwerelosigkeit für die Astronauten aber auch eine große körperliche und
psychische Herausforderung dar.
Seit vielen Jahren ist die Deutsche Sporthochschule Köln in die
raumfahrtmedizinische und -physiologische Weltraumforschung eingebunden und
leistet einen wichtigen Beitrag zum Erhalt von Gesundheit und Leistungsfähigkeit
der Astronauten – so auch bei der aktuellen ISS-Expedition 40/41.
Wissenschaftler vom Institut für Biomechanik und Orthopädie untersuchen in ihrem
Experiment "Cartilage" den Einfluss der Schwerelosigkeit auf die Morphologie und
Biologie des Knorpels im Kniegelenk der Besatzungsmitglieder der ISS. Mittels
Kernspintomographie und Biomarkern aus Blut und Urin erforschen die
Wissenschaftler, ob die reduzierte mechanische Belastung in Schwerelosigkeit zu
einer Degeneration des Gelenkknorpels führen kann.
Ausgangspunkt für diese Annahme ist die Tatsache, dass eine moderate
Gelenkbelastung zur Nährstoffversorgung und für die Funktion des Gelenkknorpels
unverzichtbar ist, da in diesem Gewebe keine Blutgefäße vorhanden sind.
Vorangegangene Bettruhe-Studien - ein in der Forschung anerkanntes Modell, um
einige physiologische Effekte von Schwerelosigkeit zu simulieren - haben
gezeigt, dass die Dicke des Kniegelenkknorpels am Schienbein, aber nicht am
Oberschenkelknochen, deutlich abnahm.
Um den Einfluss der Schwerelosigkeit auf den Kniegelenkknorpel zu
untersuchen, werden unmittelbar vor dem Flug zur ISS die Morphologie und
Zusammensetzung des Gelenkknorpels der Astronauten mittels Kernspintomographie
gemessen und Parameter des Knorpelstoffwechsels im Blut und Urin untersucht. Die
gleichen Untersuchungen finden noch einmal direkt und vier bis sechs Wochen nach
dem Flug statt. Das Projekt ist auf etwa fünf Jahre angelegt und hat im Frühjahr
2013 begonnen.
Wissen über den Effekt der Schwerelosigkeit auf den Gelenkknorpel der
Astronauten und die Erarbeitung entsprechender Gegenmaßnahmen ist von großer
Bedeutung im Hinblick auf längerfristige Aufenthalte auf der ISS oder auf
Missionen zu Mond, Mars und anderen Zielen.
Die Ergebnisse sind jedoch auch von besonderem Interesse für den Menschen auf
der Erde, sei es für Patienten mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit oder ganz
generell für die Behandlung der Volkskrankheit Arthrose in einer immer älter
werdenden Gesellschaft. Immobilisation durch Schwerelosigkeit bietet den
Forschern das einzige Modell, mit dem man das Kniegelenk gesunder Probanden für
einen so langen Zeitraum entlasten kann, um dadurch den Effekt von Inaktivität
ohne Krankheitsaktivität zu untersuchen und besser zu verstehen. Erfolgreiche
Maßnahmen zum Knorpelerhalt würden auch hier das Leben im Alter weiter
verbessern.
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