Der Zündfunke einer Supernova
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik astronews.com
5. August 2014
Bei Beobachtungen einer Supernova-Explosion mit dem
Weltraumobservatorium INTEGRAL haben Astronomen ein überraschendes Signal im
Gammastrahlenbereich entdeckt: Das Signal stammt offenbar von der Oberfläche des
Materials, das durch die Explosion herausgeschleudert wurde und stellt damit das
gängige Explosionsmodell für Supernovae vom Typ Ia infrage.
Künstlerische
Darstellung eines Binärsystems, in dem Masse von
einem Begleiter auf einen Weißen Zwerg übertragen
wird. Sobald sich genügend Materie auf der
Oberfläche des Zwergsterns angesammelt hat, kann
dies eine Kernexplosion auszulösen, die wiederum
das katastrophale Kernbrennen entzündet, die zur
Zerstörung des Weißen Zwergsterns führt.
Bild: European Space Agency und Justyn R.
Maund (University of Cambridge) |
Im Januar leuchtete in der nahe gelegenen Starburst-Galaxie M82 eine
Supernova-Explosion auf, die den Namen SN2014J erhielt. Nur zwei Wochen später
konnten Astronomen Daten dieses Objekts mit dem Weltraumteleskop INTEGRAL
aufnehmen, und sie entdeckten dort zwei charakteristische Gammalinien eines
radioaktiven Isotops von Nickel.
Supernovae sind riesige Kernfusionsöfen, und die Wissenschaftler gehen
allgemein davon aus, dass die Atomkerne das Hauptprodukt der Kernfusion im
Inneren des Supernova sind. Das radioaktive Nickel wird vor allem im Zentrum des
explodierenden weißen Zwergsterns erzeugt und entzieht sich daher einer direkten
Beobachtung. Im Laufe der Explosion verdünnt sich die gesamte Sternmaterie, die
äußeren Schichten werden immer transparenter und nach einigen Wochen bis Monaten
sollte auch Gammastrahlen aus der Nickel-Zerfallskette beobachtbar sein.
Als die Astronomen die aktuellen Daten überprüften, fanden sie jedoch bereits
15 Tage nach der Explosion Spuren des Zerfalls von radioaktivem Nickel. Damit
muss sich das beobachtete Material in der Nähe der Oberfläche der Explosion
befunden haben - ein überraschender Befund.
"Dieses überraschende Signal stellte uns vor ein Rätsel", beschreibt Roland
Diehl vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Hauptautor der
Studie und verantwortlicher Wissenschaftler des INTEGRAL-Spektrometer
Instruments. "Aber wir konnten keine Fehler finden; die Gammalinien von 56Ni
wurden wie vom radioaktiven Zerfall erwartet innerhalb weniger Tage schwächer
und kamen eindeutig aus der Richtung der Supernova", erklärt er das Ergebnis
ihrer Analyse der Beobachtungsdaten.
Das Expertenteam am MPE zur Analyse von Gammalinien entwickelt seit vielen
Jahren spezielle Methoden für die hochauflösende Spektroskopie. Diese wurde
bereits erfolgreich bei der Untersuchung der Nukleosynthese in der gesamten
Milchstraße sowie beim Supernovaüberrest Cassiopeia A angewendet - und nun bei
den jüngsten Supernova-Beobachtungen.
Supernovae vom Typ Ia entstehen, so die gängige Theorie der Astronomen, in
Doppelsternsystemen, in denen ein Weißer Zwergstern von einem massereicheren
Begleiter in geringem Abstand umrundet wird, so dass Material auf die Oberfläche
des Weißen Zwergs fließt. Zur Explosion sollte es in dem Moment kommen, in dem
der Weiße Zwerg durch den Materiezufluss eine kritische Masse erreicht hat.
Alternativ wird für Supernovae dieser Art aber seit einige Zeit auch die
Kollision von zwei Weißen Zwergen diskutiert. Das Verständnis der Explosionen
vom Typ Ia ist auch deshalb von großer Bedeutung für die Astronomen, weil sie
zur Entfernungsbestimmung eingesetzt werden.
"Wir wissen, dass eine Supernova den Weißen Zwergstern innerhalb einer
Sekunde verbrennt; aber wir sind uns nicht sicher, wie die Explosion gezündet
wird", erklärt Wolfgang Hillebrandt, Mitautor der Studie am Max-Planck-Institut
für Astrophysik. "Das Eingreifen des Begleitsterns scheint zwingend erforderlich
zu sein", fährt er fort. "Eine Weile glaubten wir, dass nur diejenigen Weißen
Zwerge explodieren, die mit Material vom Begleitstern über eine kritische
Grenzmasse hinaus überladen werden." Dann allerdings würde die Explosion im Kern
des Weißen Zwergs gezündet werden; auf der Außenseite sollten keine
Kernfusionsprodukte zu sehen sein.
Diehl, Hillebrandt und ihre Kollegen haben im Rahmen ihrer Studie
verschiedene Methoden der Datenanalyse und zudem diverse Szenarien für
Supernova-Explosionen untersucht und in einem Fachartikel in der
Wissenschaftszeitschrift Science dargestellt. Zusammenfassend schließen sie,
dass diese Gammastrahlen neue Informationen darüber liefern, wie der
Materialfluss von einem Begleitstern eine solche Supernova von außen entzünden
kann - ohne die Notwendigkeit, zuerst eine kritische Massengrenze für weiße
Zwergsterne zu überschreiten.
Aufgrund des frühen Erscheinens der Nickel-Gammastrahlen scheint es, dass
sich ein geringer Teil der äußeren Materie, die von dem Begleitstern akkretiert
wurde, entzündete und zu Fusionsasche verbrannte, einschließlich des
beobachteten Nickel. Diese primäre Explosion löste dann die eigentliche
Supernova aus, die auch mit vielen Teleskopen in anderen Wellenlängenbereichen
beobachtet wurde; in jenen Daten erscheint hingegen die Supernova "ganz normal".
Mit Gammastrahlen des radioaktiven Zerfalls kann man jedoch direkt die Asche
der Kernfusion beobachten; sie liefern damit einzigartige Informationen über
solche Explosionen. Das Szenario, das die Astrophysiker hier beschreiben, passt
gut zu neueren Überlegungen, dass die ziemlich schnellen Materialflüsse, die bei
verschmelzenden Weißen Zwergen auftreten können, häufig der Ursprung von
Supernovae dieses Typs sein könnten.
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