Junge Sterne verbinden zwei alte Galaxien
von Stefan Deiters astronews.com
11. Juli 2014
Astronomen haben mithilfe des Weltraumteleskops Hubble eine
faszinierende Entdeckung gemacht: In einem Galaxienhaufen spürten sie eine rund 100.000
Lichtjahre lange Struktur auf, die sich um die Zentren zweier
kollidierender elliptischer Riesengalaxien windet. Sie besteht aus gewaltigen
Sternhaufen aus jungen Sternen.
Hubbles Blick auf den Galaxienhaufen SDSS
J1531+3414 mit der eigentümlichen Perlenkette aus
Sternhaufen, die zwei elliptische Galaxien
verbindet.
Bild: NASA, ESA und G. Tremblay (European
Southern Observatory) [Großansicht] |
Das Weltraumteleskop Hubble hat schon viele faszinierende Ansichten
aus den Weiten des Alls geliefert, versteht es aber immer wieder auch
altgediente Astronomen zu überraschen: Jetzt hat Hubble eine rund 100.000
Lichtjahre lange Struktur aufgespürt, die wie eine Perlenkette aussieht, die
sich um die Kerne zweier kollidierender Galaxien windet.
Wie die Struktur, die vermutlich aus jungen Sternhaufen besteht, entstanden
ist, können sich die Astronomen noch nicht recht erklären. Sie hoffen aber, dass
ihnen eine weitere Untersuchung etwas über die Entstehung stellarer Superhaufen,
das Wachstum von Galaxien durch Verschmelzungen und die Dynamik des Gases bei
einer solchen sehr selten beobachteten Verschmelzung zweier elliptischer Riesengalaxien
verraten könnte.
"Wir waren schon überrascht, als wir diese eindrucksvolle Struktur vor uns
sahen", berichtet Grant Tremblay von der Europäischen Südsternwarte ESO in
Garching bei München. "Sie muss recht kurzlebig sein, vielleicht nur rund
zehn
Millionen Jahre, was nur ein Bruchteil der Zeit ist, die es dauert, bis die
Galaxien verschmolzen sind."
"Wir wissen schon seit längeren, dass es dieses Perlenschnur-Phänomen in den
Armen von Spiralgalaxien und in Gezeitenarmen gibt, die wechselwirkende Galaxien
verbinden", erklärt Tremblay weiter. "Allerdings wurde diese Anordnung von
Super-Sternhaufen noch nie bei der Verschmelzung von elliptischen Riesengalaxien
beobachtet. Wir haben es hier mit zwei Monstern zu tun, die mit einer Perlenkette Tauziehen spielen. Ihr Schicksal dürfte interessant sein auch im
Blick auf die Entstehung von Super-Sternhaufen und das Anwachsen der stellaren
Komponente von Galaxien durch Verschmelzungen."
Bei den "Perlen" in der Kette handelt es sich um Super-Sternhaufen, also
gewaltige Ansammlungen von jungen Sternen, die so massereich sind, dass sie so
etwas wie die Vorläufer von Kugelsternhaufen sein könnten. Sie scheinen sich in
einem sehr gleichmäßigen Abstand von 3.000 Lichtjahren zu befinden. Die beiden
kollidierenden elliptischen Riesengalaxien liegen im Inneren des Galaxienhaufens
SDSS J1531+3414.
Dieser Galaxienhaufen ist so massereich, dass er durch seine Masse das Licht
entfernterer Galaxien ablenkt. Dieser sogenannte Gravitationslinseneffekt führt
zu den bläulichen Streifen und Bögen, die auf den ersten Blick so aussehen, als
würden sie sich innerhalb des Galaxienhaufens befinden. Daher hatten die
Astronomen zuerst vermutet, dass es sich auch bei der "Perlenkette" um das
verzerrte Bild einer Hintergrundgalaxie handeln könnte, doch haben weitere
Beobachtungen ergeben, dass dies nicht der Fall ist.
Nach solchen Gravitationslinsen hatten die Astronomen mit Hubble eigentlich
gesucht. Der Galaxienhaufen ist nämlich einer von insgesamt 23 Galaxienhaufen,
die im Rahmen eines speziellen Programms genauer unter die Lupe genommen werden sollen.
Tremblay und sein Team waren dann bei einer genaueren Durchsicht der
Hubble-Aufnahmen auf die eigentümliche Kette aus Super-Sternhaufen gestoßen.
"Wir waren total verblüfft darüber, was wir in SDSS J1531+3414 gesehen haben",
so der Astronom. "Und weil diese Quelle so einzigartig war, haben wir dann noch
zusätzliche Beobachtungen mit erdgebundenen Teleskopen durchgeführt."
Wie die Kette aus Super-Sternhaufen genau entstanden ist, können sich die
Astronomen noch nicht erklären. Eigentlich sollte es nämlich in elliptischen
Riesengalaxien, bei denen es sich in der Regel um sehr alte Systeme handelt, kaum mehr
ausreichend Gas für eine solche Sternentstehungsaktivität geben. Die
Galaxien könnten hier also eine Ausnahme sein. Oder das zur Sternentstehung
benötigte Gas stammt aus dem heißen Plasma, das die Galaxien umgibt und ist
abgekühlt. Auch durch die Galaxienkollision entstandene Stoßwellen könnten eine
Rolle gespielt haben.
Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel in der
Zeitschrift The Astrophysical Journal Letters.
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