Bislang kein Hinweis auf Majorana-Natur
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Technischen Universität München astronews.com
12. Juni 2014
Ein Experiment tief unter der Stadt Carlsbad im
US-Bundesstaat New Mexico hat nach einer Suche von zwei Jahren bisher keinen
Hinweis auf einen speziellen radioaktiven Zerfall gefunden, der bei Physikern
als Vorbote einer neuen Physik jenseits des Standardmodells gilt. Sollte es
diesen Zerfall tatsächlich dennoch geben, so müsste dessen Halbwertszeit
milliardenfach größer sein als das Alter des Universums.
Neutrinos sind winzige, neutrale Elementarteilchen, die Masse besitzen,
obwohl das nach dem Standardmodell der Physik zufolge nicht sein dürfte. Eine
Erklärung für diese Masse könnte sein, dass Neutrinos ihre eigenen Antiteilchen,
sogenannte Majorana-Teilchen, sind. Ein Beleg für diese Doppelnatur der
Neutrinos fehlt zwar bislang, doch viele theoretische Erweiterungen des
Standardmodells der Physik legen die Majorana-Natur der Neutrinos nahe. Sollte
diese Hypothese zutreffen, so könnten viele bisher offene Fragen über die
Entstehung unseres Universums und den Ursprung der Materie beantwortet werden.
Im Experiment EXO-200 (Enriched Xenon Observatory), das im US-amerikanischen
Bundesstaat New Mexico in 650 Metern unter der Erde betrieben wird, suchen
Wissenschaftler daher seit Jahren nach einem Beweis. Physiker der
Forschungsgruppe von Professor Peter Fierlinger am Exzellenzcluster Universe
der Technischen Universität München sind maßgeblich an diesem Experiment
beteiligt.
Die empfindlichste Methode, um die Majorana-Frage experimentell zu klären,
ist die Suche nach einem Prozess, der "neutrinoloser doppelter Beta-Zerfall"
genannt wird. Dieser Prozess ist ein besonderer radioaktiver Zerfall ohne die
Aussendung von Neutrinos und könnte sich nur ereignen, wenn Neutrinos ihre
eigenen Antiteilchen wären.
Mit bisher nie dagewesener Messgenauigkeit hat EXO-200 einzelne solche
Zerfälle über mehrere Jahre gesucht. Da während dieser Zeit kein einziger
neutrinoloser doppelter Beta-Zerfall beobachtet wurde, muss die Halbwertszeit
dieses Zerfalls mindestens 1025 Jahre betragen, rund eine
Million-Milliarden Jahre mal mehr als das Alter des Universums.
"Obwohl diese Messung beispiellos genau ist, kann die eigentliche Frage zur
Natur des Neutrinos damit immer noch nicht beantwortet werden", erläutert Dr.
Michael Marino von der Forschungsgruppe von Professor Peter Fierlinger, der in
der EXO-200-Kollaboration für die Analyse der nun veröffentlichten Daten
verantwortlich ist. "Deshalb bleibt diese ungeklärte Frage eine der spannendsten
in der Physik".
Mit diesem Ergebnis konnte die hohe Sensitivität des Detektors und auch das
große Zukunftspotential der Methode demonstriert werden. EXO-200 ist damit auch
Basis für ein sehr viel größeres zukünftiges Experiment, das die Majorana-Natur
von Neutrinos endgültig bestätigen oder widerlegen könnte.
EXO-200 nutzt 200 Kilogramm flüssiges Xenon, das auf 80,6 Prozent mit dem
Isotop Xenon-136 angereichert ist. In diesem Isotop wird der neutrinolose
doppelte Betazerfall theoretisch erwartet. Betrieben wird das Experiment in der
Waste Isolation Pilot Plant (WIPP) im US-amerikanischen Bundesstaat New
Mexico in 650 Metern unter der Erde. Auf diese Weise wird der Versuchsaufbau vor
radioaktivem Untergrund und kosmischen Strahlen geschützt.
EXO-200 ist eine Kollaboration von Forschungsgruppen aus Canada, der Schweiz,
Südkorea, Russland und den USA sowie der Technischen Universität München als
einzigem deutschen Partner.
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