Partikelstrom mehrere Tage verfolgt
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
19. Mai 2014
Da sich unsere Sonne dreht, war es von der Erde aus bislang
schwierig, Teilchenströme von der Sonne und deren Quellregion auf der Oberfläche
über längere Zeit im Blick zu behalten. Dank der beiden STEREO-Sonden ist dies
inzwischen anders. Forscher nutzten nun diese Möglichkeiten und machten
Beobachtungen, die auch etwas Grundsätzliches über solare Eruptionen verraten
könnten.

Am 8. Juli 2011 schleuderte die Sonne eine
erhöhte Konzentration von Helium 3 ins All. Die
Quellregion ließ sich mithilfe der Sonden SDO
(oben, 8. Juli) und STEREO A (unten, 15. Juli)
mehrere Tage lang überwachen.
Bild: NASA / SDO [Großansicht] |
Immer wieder schleudert die Sonne in heftigen Eruptionen energetische
geladene Teilchen ins All. Gleichzeitig entweicht ein kontinuierlicher
Partikelstrom, der Sonnenwind, von ihrer Oberfläche. Zahlreiche Raumsonden in
Erdnähe überwachen, wie sich diese Materie im Weltraum ausbreitet.
Allerdings waren die Informationen bisher bruchstückhaft: Da sich die Sonne
vom Beobachter wegdreht, war es unmöglich, gleichzeitig den Teilchenstrom und
seine Quellregion auf der Oberfläche des Sterns im Blick zu halten.
Wissenschaftler unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung
(MPS) in Göttingen haben nun erstmals Daten dreier Raumsonden zu einem solchen
Rundumblick kombiniert. Über mehrere Tage konnte sie verfolgen, wie die Sonne
ein seltenes Heliumisotop freisetzt.
Die meisten Raumsonden, welche die Sonne erforschen, kreisen in großer Nähe
zur Erde um unser Zentralgestirn. Das Sonnenobservatorium SoHO etwa
trennen nur 1,5 Millionen Kilometer von der Erde; das Solar Dynamics
Observatory ist ein Erdsatellit. Solch nahe Standorte im All sind zwar
beispielsweise für die Kommunikation zwischen Sonde und Bodenstation günstig,
bieten jedoch einen entscheidenden Nachteil: Nur die Seite der Sonne, die sie
uns gerade zuwendet, liegt im Blickfeld; die Rückseite bleibt stets verborgen.
Durch die Zwillingssonden STEREO A und B hat sich diese
Situation grundlegend geändert. Seit acht Jahren nutzen die beiden Sonden nahezu
dieselbe Umlaufbahn um die Sonne wie die Erde: Die eine Sonde eilt der Erde
voraus, die andere hinkt hinterher. Dabei driften die STEREO-Zwillinge
von Jahr zu Jahr weiter auseinander. Anfang 2011 lagen sie einander genau
gegenüber - und hatten so gemeinsam erstmals freie Sicht auf die komplette
Sonne, die genau zwischen ihnen lag.
"Zusammen mit Sonden in Erdnähe ist es nun möglich, alle Seiten der Sonne
gleichzeitig im Blick zu halten", erklärt Radoslav Bučík vom MPS. "Auf diese
Weise können wir erstmals langfristige Prozesse ohne Unterbrechung verfolgen".
Zusammen mit Kollegen von der Johns Hopkins University (USA) und der
Universität von Alcalá (Spanien) spürten die MPS-Forscher dem seltenen
Helium-Isotop Helium-3 nach, das die Sonne gelegentlich ins All emittiert.
Helium-3 ist nicht nur in der Sonnenmaterie, sondern im gesamten Sonnensystem
ein Exot: Das schwerere Helium-4, dessen Kern aus zwei Protonen und ebenfalls
zwei Neutronen besteht, tritt etwa 10.000-mal so häufig auf.
Auch der Sonnenwind, der stetige Teilchenstrom von der Sonne, spiegelt dieses
Verhältnis der beiden Spielarten des Heliums wider. Doch die Sonne kann auch
anders: Gelegentlich wird sie zu einer wahren Helium-3-Schleuder. Für einen
begrenzten Zeitraum entweicht dann stellenweise ein Teilchenstrom mit einer
stark erhöhten Konzentration des seltenen Isotops.
"Offenbar gibt es einen Mechanismus auf der Sonne, der bei diesen Ereignissen
Helium-3 deutlich wirksamer ins All beschleunigt als andere Teilchen", erklärt
Bučík. Wie dieser Mechanismus funktioniert, ist jedoch noch völlig unklar. Ein
Problem: Bisher ließen sich die Teilchen maximal einen Tag lang verfolgen. Da
sich die Sonne dreht, beschreiben die Teilchen eine Art Spiralbahn vergleichbar
mit dem Wasserstrahl eines rotierenden Rasensprengers. Nach nur wenigen Stunden
verschwanden sie deshalb aus dem Blickfeld des jeweiligen Messinstruments. Erst
die neue Beobachtungsgeometrie der STEREO-Sonden bot die Hoffnung auf
einen tieferen Einblick.
Gleich zwei Gelegenheiten dazu boten sich im Juli 2011. Die Messdaten haben
die Forscher nun ausgewertet. Am 1. Juli registrierte STEREO B mit dem
Massenspektrometer SIT eine deutlich erhöhte Konzentration von Helium-3. Am 7.
Juli tauchten die Teilchen im Messfeld des Teilchenspektrometers ULEIS der
Raumsonde ACE in Erdnähe auf. Als Quelle konnten die Forscher eine spezielle
aktive Region auf der sichtbaren Oberfläche der Sonne identifizieren. Solche
Regionen befinden sich oftmals in der Nähe eines Sonnenflecks und weisen hohe
Magnetfeldstärken auf.
Am 9. Und 16. Juli zeichneten ACE und STEREO A erneut erhöhte Werte auf. Auch
hier konnten die Forscher in Rechnungen die selten Isotope bis zu ihrem Ursprung
zurückverfolgen. "Dass helium-3-reiche Ereignisse mehrere Tage anhalten können,
war eine große Überraschung", so Bučík. Offenbar sind im Sonnenplasma die
notwendigen Bedingungen über lange Zeit stabil. Dies könnte ein wichtiger
Hinweis sein und helfen, den zugrunde liegenden Beschleunigungsmechanismus zu
identifizieren. "Diesen Mechanismus zu verstehen, hat weitreichende
Konsequenzen", ergänzt Bučík. "Er könnte uns helfen zu verstehen, wie es der
Sonne grundsätzlich gelingt, Teilchen in so genannten Flares ins All zu
schleudern."
Über ihre Beobachtungen berichteten die Wissenschaftler jetzt in der
Fachzeitschrift The Astrophysical Journal.
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