Ein Querschnitt durch das Universum
von Stefan Deiters astronews.com
24. April 2014
Auf den ersten Blick zeigt ein in der vergangenen Woche
veröffentlichtes Bild des Weltraumteleskops Hubble nur eine Vielzahl
von Galaxien. Wer jedoch genauer hinsieht, kann auf der Aufnahme Objekte mit
ganz unterschiedlicher Entfernung und Erscheinungsform entdecken. Das Bild
bietet damit einen Querschnitt durch viele Milliarden Jahre
Entwicklungsgeschichte des Universums.
Wenn man mit einem Teleskop wie dem Weltraumteleskop Hubble für
einen längeren Zeitraum eine bestimmte Region am Himmel anvisiert, tauchen
Galaxien und andere Objekte auf, die so lichtschwach sind, dass man sie bei
einem flüchtigen Blick kaum zu Gesicht bekommen hätte.
Dies verdeutlicht auch eine in der vergangenen Woche von der europäischen
Weltraumagentur ESA veröffentlichte Hubble-Aufnahme, für die 14 Stunden
lang beobachtet wurde. Das Bild liefert praktisch einen Querschnitt durch die
Geschichte des Universums, sind auf der Aufnahme doch Objekte zu sehen, deren
Licht mehr als die Hälfte der Existenzzeit des Weltalls benötigt hat, um uns zu
erreichen. Einige Objekte sind uns allerdings auch deutlich näher.
Das Bild zeigt außerdem, wie sehr der Schein bei einem Blick ins All trügen
kann: So scheint es auf der Ansicht viele Objekte zu geben, die relativ dicht
beieinander liegen. Dies ist allerdings eine optische Täuschung, da sich auf der
Sichtlinie zahlreiche Galaxiengruppen befinden, die ganz unterschiedliche
Entfernungen von uns haben. So können scheinbar benachbarte Galaxien viele
Milliarden Lichtjahre voneinander entfernt sein.
Zusätzlich lässt sich auf der Aufnahme noch ein weiteres Phänomen beobachten:
Massereiche Objekte haben das Licht von noch weiter entfernten Galaxien
verstärkt und ihre Bilder verzerrt, so dass diese als helle Bögen zu sehen sind.
Dieser Effekt wird von Astronomen als "Gravitationslinseneffekt" bezeichnet und
sorgt dafür, dass sich zuweilen Objekte untersuchen lassen, die ohne dieses
"natürliche Vergrößerungsglas" gar nicht zugänglich wären.
Eines dieser Linsensysteme trägt die Bezeichnung CLASS B1608+656 und ist als
kleine bogenförmige Struktur in der Bildmitte zu sehen. Es besteht aus zwei
Vordergrundgalaxien, die das Licht eines entfernten Quasars mit Namen
QSO-160913+653228 verstärken.
Bei einem Quasar handelt es sich um eine Galaxie, in deren Zentrum ein
supermassereiches Schwarzes Loch gerade große Mengen an Material verschlingt.
Dieses heizt sich dabei auf hohe Temperaturen auf, was das System sehr hell
macht. Das Licht dieses Quasars hat rund neun Milliarden Jahre benötigt, um uns
zu erreichen.
Auf dem Bild finden sich zudem zwei weitere Gravitationslinsensysteme, denen
die Wissenschaftler die Spitznamen "Fred" und "Ginger" gegeben haben. Auch diese
beiden Galaxien sind massereich genug, um das Licht entfernter Galaxien zu
verstärken. Fred, auch als [FMK2006] ACS J160919+6532 bekannt, liegt ganz in der
Nähe der Linsengalaxien von CLASS B1608+656, Ginger, auch [FMK2006] ACS
J160910+6532, hingegen ist uns deutlich näher.
Die Aufnahme entstand im sichtbaren Bereich des Lichts und im nahen Infrarot.
Die Daten wurden mit der Advanced Camera for Surveys des
Weltraumteleskops Hubble gesammelt. Einen Wegweiser zu Fred, Ginger und
CLASS B1608+656 ist als Großansicht abrufbar.
|