Zerfledderte Galaxie in Abell 3627
von Stefan Deiters astronews.com
5. März 2014
Der Raum zwischen den Galaxien ist nicht immer leer,
insbesondere nicht in den Zentren von massereichen Galaxienhaufen. Dies ist
eindrucksvoll auf einer neuen Aufnahme des Weltraumteleskops Hubble zu
erkennen: Die Spiralgalaxie ESO 137-001 wird hier durch ihre rasante Bewegung
durch das heiße Gas des Haufens regelrecht zerfleddert.
Auf der gestern von der europäischen Weltraumagentur ESA veröffentlichten
Aufnahme des Weltraumteleskops Hubble ist die spektakuläre
Spiralgalaxie ESO 137-001 vor dem Hintergrund zahlreicher Galaxien des
Zentralbereichs des Galaxienhaufens Abell 3627 zu sehen. Die Galaxie befindet
sich im Sternbild Südliches Dreieck und ist rund 220 Millionen Lichtjahre von
der Erde entfernt.
So faszinierend die Galaxie und der Hintergrund auch sein mögen, das Bild ist
vor allem aus einem anderen Grund interessant: Zu erkennen sind nämlich auch
eigentümliche bläuliche Streifen, die von der Galaxie auszugehen scheinen. Sie
leuchten hell im ultravioletten Bereich des Lichts.
Bei diesen bläulichen "Spritzern" handelt es sich um junge heiße Sterne, die
sich in einem Strom aus Gas befinden. Dieses Gas wurde durch die Wechselwirkung
der Galaxie mit ihrer Umgebung aus dem System gerissen, einen Prozess, den
Astronomen als "Ram Pressure Stripping" bezeichnen. Der Raum zwischen den
Galaxien ist nämlich alles andere als leer. In den Zentren von Galaxienhaufen
gibt es große Mengen an heißem Gas und eine sich schnell bewegende Galaxie spürt
dieses Gas, wie wir den Fahrtwind spüren, wenn wir eine Hand aus einem schnell
fahrenden Auto halten.
Wer genau hinschaut, kann auf der Aufnahme noch weitere Folgen der schnellen
Bewegung durch das heiße Gas erkennen, etwa das gewundene Aussehen der Scheibe
aus Gas und Staub der Galaxie. Allerdings ist die gravitative Anziehungskraft,
die ESO 137-001 auf ihre einzelnen Komponenten ausübt, groß genug, um den
überwiegenden Teil des Gases und Staubs an das System zu binden.
Interessant ist das "Ram Pressure Stripping" für die Untersuchung der
Entwicklungsgeschichte von Galaxien. Durch den Prozess dürfte nämlich ein großer
Teil des kalten Gases der Galaxie verlorengehen, so dass ESO 137-001 dann kein
Material zur Bildung neuer Sterne mehr zur Verfügung stehen dürfte. Der
Gasverlust ist auch auf einem Bild schön zu erkennen, auf dem diese Hubble-Aufnahme
mit Daten des Röntgen-Weltraumteleskops Chandra kombiniert ist. Hier
ist ein langer Schweif aus Gas zu sehen, der von der Galaxie ins All strömt.
Abell 3627 ist auch als Norma-Galaxienhaufen bekannt. Es handelt sich dabei
um eine große Ansammlung von Galaxien an der Grenze des Sternbilds Winkelmaß zum
Sternbild Südliches Dreieck. Der Haufen liegt im Zentrum eines großen Filaments
aus Galaxien, das als "Großer Attraktor" bezeichnet wird. Dessen Masse ist so
gewaltig, dass er die Bewegung von Galaxien in weitem Umkreis beeinflusst. So
bewegt sich auch die Galaxiengruppe zu der unsere Milchstraße gehört langsam in
Richtung dieses Großen Attraktors.
Die Beobachtung von ESO 137-001 und anderer Galaxien des
Norma-Galaxienhaufens ist alles andere als einfach, obwohl der Galaxienhaufen
der Erde noch vergleichsweise nahe ist. Er befindet sich allerdings aus unserer
Perspektive ganz in der Nähe der Ebene der Milchstraße, wo der Blick im
optischen Bereich des Lichts durch dicke Schwaden aus Staub behindert ist, so
dass man oft auf andere Wellenlängenbereiche ausweichen muss. Dieses Bild wurde
aus Daten zusammengestellt, die im sichtbaren Bereich des Lichts, im
Ultravioletten und im Infraroten gesammelt wurden.
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