Überraschender Fund in Riesengalaxien
von Stefan Deiters astronews.com
27. Februar 2014
In elliptischen Riesengalaxien entstehen kaum noch neue
Sterne. Grund dafür ist, so vermuteten die Astronomen bislang, dass die Systeme
ihren gesamten Gasvorrat in Sterne umgewandelt oder auf andere Weise verloren
haben. Jetzt entdeckten sie aber große Mengen von kaltem Gas in sechs
elliptischen Riesengalaxien. Doch warum entstehen dann dort keine Sterne?

Die elliptische
Riesengalaxie NGC 5044 in einem Bild, das aus
Daten von Beobachtungen in verschiedenen
Wellenlängen zusammengestellt wurde.
Bild: Digitised Sky Survey / NASA Chandra /
Southern Observatory for Astrophysical Research /
Very Large Array (Robert Dunn et al. 2010) |
Elliptische Riesengalaxien dürften mit zu den eindrucksvollsten Galaxien im
Universum zählen. Sie fallen nicht nur durch ihre Größe auf, sondern auch
dadurch, dass in ihnen praktisch keine neuen Sterne mehr entstehen. Durch
irgendeinen Prozess kam die Sternentstehung in diesen Systemen zum Erliegen und
es gibt dort heute nur noch massearme, ältere Sterne, die rötlich leuchten.
Astronomen bezeichnen elliptische Riesengalaxien daher manchmal auch als "rot
und tot".
Bislang hatte man angenommen, dass diese Riesengalaxien deswegen kaum noch
Sternentstehungsaktivität zeigen, weil ihnen das Rohmaterial für neue Sterne
fehlt. In Spiralgalaxien etwa, in denen es Regionen mit heftiger Sternentstehung
gibt, finden sich große Mengen an kaltem Gas, was man bislang in den "roten und
toten" Galaxien nicht nachweisen konnte.
Vermutlich, so die Astronomen, haben die elliptischen Galaxien ihr kaltes Gas
durch irgendeinen Prozess abgestoßen oder haben schlicht ihren gesamten
Gasvorrat in Sterne umgewandelt. Über eines bestand jedoch Einigkeit: In den
Galaxien entstehen keine neuen Sterne mehr, weil diese dazu schlicht nicht in
der Lage sind.
Doch könnte diese bislang als gesichert geltende Erkenntnis durch jetzt
vorgestellte Beobachtungsergebnisse des europäischen Infrarot-Weltraumteleskops Herschel infrage gestellt werden. "Wir haben uns acht elliptische
Riesengalaxien angeschaut, die noch niemand zuvor untersucht hatte und waren
entzückt, als wir in sechs davon größere Mengen an kaltem Gas gefunden haben",
so Norbert Werner von der Stanford University, der die Untersuchung
geleitet hat.
"Wir sehen zwar kaltes Gas", ergänzt Raymond Oonk von ASTRON, dem
niederländischen Institut für Radioastronomie, "aber keinen Hinweis auf
Sternentstehung. Das ist bizarr: Warum erzeugen diese Galaxien keine Sterne,
obwohl sie doch einen so großen Vorrat an kaltem Gas zur Verfügung haben?"
Zur Beantwortung dieser Frage haben die Astronomen die Galaxien in
zusätzlichen Wellenlängenbereichen untersucht, in denen sich Gas mit anderen
Temperaturen als das von Herschel entdeckte aufspüren lässt. "In den
sechs Galaxien, in denen wir kaltes Gas gefunden haben, deuteten die
Röntgendaten darauf hin, dass hier auch heißes Gas abkühlt", so Werner.
Das stimmt mit der theoretischen Vorstellung überein, nach dem warmes Gas
immer weiter abkühlt und sich dieser Prozess so lange fortsetzt, bis sich aus
dem Gas schließlich Sterne bilden können. Doch offenbar ging die Abkühlung in
den sechs Galaxien nicht weit genug. Außerdem fand man in den zwei anderen
Galaxien, in denen sich kein kaltes Gas fand, Hinweise dafür, dass das heiße Gas
hier überhaupt nicht abkühlt. "Dieses so unterschiedliche Verhalten der Galaxien
könnte eine gemeinsame Ursache haben", vermutet Oonk: "das supermassereiche
Schwarze Loch im Zentrum."
Während sich nämlich in den sechs Galaxien mit erheblichen Mengen an kaltem
Gas ein eher weniger aktives supermassereiches Schwarzes Loch im Zentrum
befindet, verschlingen die beiden Schwarzen Löcher in den Zentren der beiden
anderen Galaxien gerade große Mengen an Material. Dabei werden auch gewaltige,
eng gebündelte Strahlen aus Gas, sogenannte Jets, aus der unmittelbaren Umgebung
der Schwarzen Löcher ins All geschleudert. Diese Jets aber könnten das Abkühlen
des Gases verhindern oder sogar das kühle Gas der Galaxie wieder aufwärmen und
somit Sternentstehung unterdrücken.
"Dieses Galaxien sind zwar rot, aber mit den riesigen Schwarzen Löchern, die
in ihnen aktiv sind, ganz bestimmt nicht tot", so Werner. Die Astronomen
berichten über ihre Beobachtungen jetzt in der Fachzeitschrift Monthly
Notices of the Royal Astronomical Society.
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