Blick ins Innere von Itokawa
von Stefan Deiters astronews.com
5. Februar 2014
Mithilfe des New Technology Telescope (NTT) der europäischen
Südsternwarte ESO haben Astronomen Indizien dafür gefunden, dass das Innere
eines Asteroiden alles andere als homogen sein muss. Ein Team
beobachtete über viele Jahre den Asteroiden (25143) Itokawa und stellte dabei
fest, dass der Brocken in einem Teil eine deutlich höhere Dichte aufweist als im
restlichen Bereich.
Schema des
Asteroiden (25143) Itokawa, in das die entdeckten
Dichten eingetragen sind.
Bild: ESO / JAXA [Großansicht] |
Der Asteroid (25143) Itokawa gehört mit zu den vergleichsweise gut untersuchten
Asteroiden. Der an seiner längsten Stelle rund 535 Meter durchmessende Brocken
wurde nämlich von der japanischen Raumsonde Hayabusa besucht, die
sogar eine Gesteinsprobe des Asteroiden zur Erde brachte (astronews.com
berichtete). Durch die Aufnahmen
der Sonde weiß man auch, was für ein eigentümliches Aussehen Itokawa hat:
Er ähnelt ein wenig einer Erdnuss.
Doch nicht nur mithilfe von Sonden lassen sich neue Informationen über Asteroiden gewinnen: Jetzt haben Astronomen die Ergebnisse detaillierter
Beobachtungen von Itokawa mit dem New Technology Telescope (NTT) der
europäischen Südsternwarte ESO vorgestellt, die zwischen 2001 und 2013 gemacht
wurden. Diese Daten kombinierten sie mit theoretischen Arbeiten, die
beschreiben, wie Asteroiden Wärme abstrahlen.
Mit dem NTT haben die Astronomen die winzigen Helligkeitsschwankungen
ausgewertet, die durch die Rotation des Asteroiden entstehen. Damit ließ sich
die Geschwindigkeit der Drehung von Itokawa um die eigene Achse sehr genau
bestimmen und man konnte auch Änderungen dieser Rotation im Verlauf
der Zeit messen. Da die Form des Asteroiden bekannt war, erlaubte dies
auch Aussagen über den inneren Aufbau des Brockens - und dieser scheint
komplexer zu sein, als bislang angenommen.
"Es ist das erste Mal, dass es uns gelungen ist, etwas über das Innere eines
Asteroiden zu erfahren", meint Stephen Lowry von der University of Kent. "Wir
sehen deutlich, dass Itokawa eine sehr verschiedenartige Struktur aufweist - dies
ist ein wichtiger Schritt, um die Gesteinsobjekte in unserem Sonnensystem besser
zu verstehen."
Für ihre Untersuchung haben sich die Astronomen
die Tatsache zunutze gemacht,
dass die Eigenrotation von Asteroiden und anderen kleinen Objekten im Sonnensystem
durch die Sonnenstrahlung beeinflusst werden kann. Dieses Phänomen ist als Yarkovsky-O'Keefe-Radzievskii-Paddack-Effekt, kurz YORP-Effekt, bekannt. Es
wird durch Sonnenlicht verursacht, das von einem Asteroiden absorbiert und in Form von
Wärmestrahlung wieder ausgesandt wird.
Hat ein Asteroid dabei eine sehr unregelmäßige Oberfläche, geschieht diese
Wärmeabstrahlung nicht in alle Richtungen gleichmäßig, wodurch die Eigendrehung
des Objekts geringfügig, aber beständig verändert wird. Lowry konnte nun mit
seinem Team messen, dass die Periode der Eigendrehung von Itokawa durch den YORP-Effekt
offenbar ganz langsam zunimmt - um 0,045 Sekunden pro Jahr.
Dieser Wert war allerdings nicht das, was die Astronomen erwartet hatten und
lässt sich nur erklären, wenn die beiden Teile des erdnussförmigen Asteroiden
eine deutlich unterschiedliche Dichte aufweisen. Damit hat das Team erstmals
ein Indiz dafür gefunden, dass Asteroiden in ihrem Inneren eine sehr
verschiedenartige Struktur haben können. Bislang konnte man den inneren Aufbau
eines Asteroiden lediglich aus der mittleren Dichte des gesamten Objektes
ableiten.
Die ungewöhnliche Dichteverteilung des Asteroiden führt natürlich zu
Spekulationen darüber, wie Itokawa entstanden ist. Eine Möglichkeit wäre, dass
es sich ursprünglich um einen Doppelasteroiden gehandelt hat, dessen beiden
Komponenten schließlich kollidiert und verschmolzen sind.
"Die Entdeckung, dass
Asteroiden über kein homogenes Innere verfügen, hat weitreichende Folgen,
insbesondere für die Modelle zur Entstehung von Doppelasteroiden", so Lowry.
"Sie könnte auch für Arbeiten zur Reduktion der Gefahr von Asteroidenkollisionen
mit der Erde oder zur Planung von Missionen zu diesen Objekten nützlich sein."
Über ihre Ergebnisse berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erscheint.
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