Eine normale Galaxie im jungen Universum
von Stefan Deiters astronews.com
17. Januar 2014
Astronomen ist es erstmals gelungen, eine ganz normale
Galaxie im jungen Universum detaillierter zu untersuchen. Das System mit der
Bezeichnung DLA2222-0946 ist extrem lichtschwach, gehört aber zu einer Klasse
von Galaxien, die als Vorläufer der heutigen Spiralgalaxien wie unserer
Milchstraße gelten. Ihr Studium könnte also einiges über die Entwicklung von
Galaxien verraten.

Die Bewegung des
Gases in einem Teil der Galaxie DLA2222-0946. Rot
steht für Gas, das sich von uns entfernt, blaues
Gas kommt auf uns zu. Die Position des Quasars
ist mit "Q" markiert.
Bild: R. Jorgenson |
Die Galaxie DLA2222-0946 gehört zu einer Klasse von Galaxien, die Astronomen
als "Damped Lyman alpha systems", kurz DLAs, bezeichnen. Dieser etwas
ungewöhnliche Name erklärt sich aus ihrer Entdeckungsgeschichte: Man hat sie
nämlich nur deswegen aufgespürt, weil sie dank ihres hohen Anteils von neutralem
Wasserstoffgas ein Teil des Lichts von noch weiter entfernten Quasaren
absorbiert haben.
Daher wusste man zwar von der Existenz Tausender dieser DLAs im jungen
Universum, jedoch war über die Galaxien selbst und ihre Rolle bei der
Galaxienentwicklung nur sehr wenig bekannt, da man sie nicht direkt beobachten
konnte. Dies ist jetzt aber mithilfe des Keck-I-Teleskops am W. M.
Keck Observatory auf dem Mauna Kea auf Hawaii gelungen und somit erstmals
Details über diese entfernten Systeme zu erkennen.
Galaxien wie DLA2222-0946 enthalten große Mengen an neutralem Wasserstoffgas
und damit das Grundmaterial für die Entstehung neuer Sterne. Ihre Untersuchung
dürfte damit wichtige Erkenntnisse über die Entwicklung von Galaxien liefern. So
gelten DLAs als Vorläufer der heutigen Spiralgalaxien, zu denen auch unsere
Milchstraße zählt.
"Diese Galaxien sind so außergewöhnlich, weil sie so gewöhnlich sind", meint
Regina Jorgenson von der University of Hawaii. "Sie stehen für ganz
normale Galaxien und nicht für die hellsten und extremsten Galaxien mit einer
extrem hohen Sternentstehungsrate, die man normalerweise in diesen Entfernungen
beobachtet. Doch dieses Gewöhnlichkeit führt dazu, dass man sie praktisch
unmöglich direkt beobachten kann." Das von ihnen ausgesandte Licht ist nämlich
nur sehr schwach und wird zudem noch vom Licht des hellen Quasars überstrahlt,
durch das man erst auf diese Galaxien aufmerksam wurde.
DLA2222-0946 ist so weit von der Erde entfernt, dass das Licht des Systems
rund 10,8 Milliarden Jahre benötigte hat, um uns zu erreichen. Wir sehen die
Galaxie damit zu einer Zeit, in der das Universum lediglich ein Fünftel seines
heutigen Alters hatte. Astronomen glauben, dass diese Epoche für die
Galaxienentwicklung eine entscheidende Rolle spielte. Die Untersuchung von
typischen Galaxien in dieser Zeit dürfte also erheblich zum Verständnis der
Prozesse beitragen, die sich damals abgespielt haben. Insbesondere interessieren
sich die Forscher für die Frage, wie genau in diesen gewaltigen Ansammlungen von
neutralem Wasserstoffgas Sterne entstanden sind.
Die Beobachtungen wurden mithilfe des OH-Suppressing Infrared Imaging
Spectrograph (OSIRIS) am Keck-I-Teleskope und einer
fortschrittlichen adaptiven Optik gemacht, durch die die Luftunruhe der
Erdatmosphäre kompensiert werden kann. OSIRIS erlaubt die Aufnahme von sehr
präzisen Infrarotspektren auch noch von sehr kleinen Objekten wie entfernten
Galaxien. So lassen sich detaillierte Informationen über die Zusammensetzung und
die Bewegung von Systemen in der frühen Phase der Galaxienentwicklung gewinnen.
Über ihre Beobachtungen berichten Jorgenson und ihr Kollege Arthur Wolfe von
der University of California in San Diego in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift The Astrophysical Journal erscheint.
|