Roter Planet als Gaspumpe
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen astronews.com
5. Dezember 2013
Der Mars verhält sich offenbar wie eine gigantische Gaspumpe.
Sein Boden gibt in warmen Regionen Kohlendioxid und andere flüchtige Stoffe in
die Atmosphäre ab und saugt sie in schattigen Gegenden wieder ein. Kein anderer
Planet im Sonnensystem ist dazu in der Lage. Nachgewiesen wurde dieser bislang
unbekannte Mechanismus bei Experimenten im Fallturm in Bremen.

Experimente am
Bremer Fallturm lieferten nun Überraschendes über
den roten Planeten Mars.
Bild: NASA und das Hubble Heritage Team (STScI/AURA) |
Der Mars ist heute alles andere als eine wohnliche Welt. Er verfügt nur über
eine dünne Atmosphäre und diese besteht zum größten Teil aus Kohlendioxid. Ein
Mensch könnte hier also nicht atmen. Für den Astrophysiker Prof. Dr. Gerhard
Wurm von der Universität Duisburg-Essen, der sich mit der Entstehung von
Planeten aus winzigen Staubpartikeln beschäftigt, ist der Mars aber trotzdem ein
interessantes Forschungsobjekt, da er "von der Erde aus gesehen der nächste
Planet ist, auf dem der Mensch herumlaufen kann. Wenn wir in absehbarer Zeit
irgendwo hinfliegen, dann dorthin."
Im Rahmen des Forschungsprojekts "Experimentelle Untersuchungen zur
Gravitationsabhängigkeit lichtinduzierter Stauberuptionen" (EULE) beschäftigen
sich Wurm und seine Kollegen mit Prozessen, die hauptsächlich in protoplanetaren
Staubscheiben um junge Sterne von Bedeutung sind, allerdings auch auf dem Mars
eine Rollen spielen und dort für eine staubige Atmosphäre sorgen können. Dafür
experimentierten die Forscher am Fallturm der Universität Bremen. Er ermöglicht
in einer 110 Meter hohen Vakuumröhre für kurze Zeit Experimente in
Schwerelosigkeit.
Bei ihren Tests entdeckte Wurm und sein Team mehr zufällig, dass der Mars
offenbar ganz besondere "Fähigkeiten" hat: Sein Boden pumpt Gas effektiv durch
die oberen Bodenschichten. Verantwortlich dafür sind hauptsächlich zwei
Faktoren: Zunächst ist da der besondere Atmosphärendruck. "Gas kann sehr
effizient von einer kalten zu einer warmen Seite strömen. Das ist aber nur
möglich, wenn der Druck in einem ganz bestimmten Bereich liegt - nämlich bei
wenigen Millibar. Auf der Erde ist er etwa hundert Mal größer, weshalb der
Austausch durch das Erdreich hier so nicht funktioniert", erklärt Wurm. "Der
Mars allerdings hat diesen idealen Atmosphärendruck auf der Oberfläche. Als
einziger im Sonnensystem."
Der zweiter Faktor ist das Klima: Tagsüber heizt die Sonne den Wüstenplaneten
auf. Die Schichten unter seiner Oberfläche sind aber noch kühl von der kalten
Nacht (bis zu minus 85 Grad Celsius). Dies und der ideale Druck führen dann
dazu, dass Kohlendioxid und andere flüchtige Stoffe praktisch aus dem Boden
gedrückt werden. In schattigen Gegenden dagegen werden sie hineingesogen. "Die
Fallkapsel bietet etwa neun Sekunden Schwerelosigkeit", berichtet
Projektmitarbeiterin Caroline de Beule. "In dieser Zeit sieht man anhand von
Tracerpartikeln sehr gut, wie Gas aus der Oberfläche eines beleuchteten
Staubbetts austritt und im Schatten wieder in die Stauboberfläche eintritt."
Das neue Phänomen wird die Astrophysiker weiter beschäftigen. Sie wollen ihre
Experimente ausweiten, um, so Wurm, "unseren Nachbarn besser zu
verstehen". Dass in schon 20 Jahren ein Mensch seinen Fuß auf den staubigen
Boden des roten Planeten setzen könnte, fände Wurm zwar "prima", hält solche
Vorhersagen aber für "sehr spekulativ“.
Über ihre Resultate berichteten die Wissenschaftler jetzt in einem Artikel in
der Fachzeitschrift Nature Physics.
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Mission Mars, die astronews.com-Berichterstattung über die Erforschung des roten Planeten |
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