Durch Simulation zu effektiveren Triebwerken
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Greifswald astronews.com
18. November 2013
In Greifswald arbeiten Wissenschaftler an einem
Simulationspaket für das Ionentriebwerk HEMPT. Untersucht werden soll dabei vor
allem die Wechselwirkung der austretenden Ionen mit dem Satelliten. Mithilfe
einer komplexen Simulationssoftware hofft man sowohl den Schub als auch die
Lebensdauer des Ionenantriebs für Satellitenmissionen optimieren zu können.

HEMPT-Thruster
Module im Betrieb. Unten (blau)
Triebwerksplasmaentladung mit expandierenden
Ionenstrahl, oben die Neutralisatorentladung um
das Negativaufladen vom Satelliten zu vermeiden.
Foto: Benjamin van Reijen |
Im Rahmen eines neuen Projekts, das durch das Deutsche Zentrum für Luft- und
Raumfahrt (DLR) über drei Jahre mit insgesamt 800.000 Euro gefördert wird,
wollen Wissenschaftler der Universität Greifswald ein Simulationspaket für das
Hocheffizienz-Mehrstufen-Plasma-Triebwerk (HEMPT) entwickeln. Solche
Ionentriebwerke werden unter anderem zur Steuerung von Satelliten außerhalb der
Erdatmosphäre oder auch als Antrieb für Missionen im Sonnensystem eingesetzt.
Von besonderem Interesse bei dem Projekt ist die Wechselwirkung der
austretenden Ionen mit dem Satelliten. Durch eine komplexe Simulationssoftware
soll sowohl der Schub als auch die Lebensdauer des Ionenantriebs für
Satellitenmissionen optimiert werden.
Ionenantriebe arbeiten wie herkömmliche Raketentriebwerke nach dem
Rückstoßprinzip. "Um den Rückstoß zu maximieren müssen schwere Teilchen den
Antrieb mit einer möglichst hohen Geschwindigkeit verlassen. Chemische Antriebe
haben da eine begrenzte Austrittsgeschwindigkeit. Werden jedoch geladene
Teilchen verwendet, so können sie mit Hilfe von elektrischen Feldern zu weit
höheren Geschwindigkeiten beschleunigt werden," erläutert Projektleiter Ralf
Schneider, Professor für Computational Physics am Institut für Physik
der Universität Greifswald.
Als Quelle für diese Teilchen wird im Inneren des Ionenantriebs in einem
Entladungskanal ein Plasma erzeugt. Das ist ein ionisiertes Gas, das aus
elektrisch geladenen Teilchen, den Ionen und Elektronen, besteht. Diese
geladenen Teilchen erzeugen im Plasma eigene elektromagnetische Felder. "Die
Kunst ist nun durch Optimierung zusätzlicher Magnetfelder und des Plasmas die
maximale Beschleunigung der Ionen zu erreichen, allerdings ohne Schädigung der
Wände des Entladungskanals oder anderer Satellitenteile durch die austretenden
Teilchen," beschreibt Schneider die Herausforderung.
"In dem Grundlagenforschungsprojekt verfolgen wir das langfristige Ziel, ein
anwenderorientiertes Computerprogramm zu entwickeln, das aufwendige und
kostspielige Langzeittests von Ionenantrieben ersetzt, so wie es zum Beispiel
schon heute für Windtunnel oder Crashtests in der Autoindustrie allgemein üblich
ist," so Norbert Püttmann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR.
"Diese Art der Förderung von Grundlagenforschung bringt auch einen Gewinn für
die Wirtschaft, da durch ein besseres Verständnis physikalischer Prozesse
Leistungsparameter verbessert und Kosten beim Einsatz der Triebwerke verringert
werden können," meint Projektleiter Jürgen Schulze vom Bereich
Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.
Es ist bereits das zweite Vorhaben, das durch das DLR auf diesem Gebiet
gefördert wird. "Im ersten Projekt konnte unser Unternehmen mit Hilfe dieser
Simulationen wichtige Prozesse im Entladungskanal verstehen. Dies ermöglichte
eine zielgerichtete Optimierung des HEMPT in Bezug auf Schub und Lebensdauer des
Triebwerks und Winkelverteilung der austretenden Teilchen", so Dr. Martin
Schirra vom Geschäftsbereich Electron Devices von Thales Deutschland in
Ulm, wo das Triebwerk 1998 patentiert wurde.
In der Arbeitsgruppe von Professor Schneider, der bis 2009 noch am Institut
für Plasmaphysik IPP in Greifswald arbeitete, werden schon seit einigen Jahren
Methoden aus der Fusionsforschung für die Simulation von Plasmaantrieben
genutzt. Es hatte sich gezeigt, dass Probleme, die Fusionsforschungsanlagen
limitieren, auch für Ionenantriebe wichtig sind. Dazu gehören beispielsweise
Mikroturbulenzen und der daraus resultierende erhöhte Transport der
Plasmateilchen oder die Schädigung von Wänden durch auftreffende Plasmateilchen.
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