Wiedereintritt in den nächsten Tagen erwartet
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Bern astronews.com
8. November 2013 (Update vom 9., 10. und 11. November 2013)
Der ESA-Satellit GOCE wird voraussichtlich in den kommenden
Tagen unkontrolliert in die Erdatmosphäre eintreten und verglühen. Ein Teil der
Trümmer dürfte dabei auch den Erdboden erreichen. Gegenwärtig wird der Absturz
für Sonntag oder Montag erwartet. Heute befand sich der Satellit in einer Höhe
von rund 170 Kilometern und funkt noch immer kontinuierlich Daten.

GOCE im Orbit.
Bild: ESA /AOES Medialab |
Seit März 2009 kreiste der Gravity field and steady-state Ocean
Circulation Explorer (GOCE) im Erdorbit in gut 250 Kilometern Höhe. Mit
seinen Messungen hat der Satellit unter anderem dazu beigetragen, die
Höhensysteme einzelner Länder zu vereinheitlichen. Damit können etwa
unterschiedliche Höhenangaben von Bergen korrigiert und Probleme bei Bauvorhaben
besser gelöst werden.
Der Forschungssatellit lieferte auch Grundlagen, um Veränderungen des
Meeresspiegels und der Ozeanströmungen zu untersuchen, was für weltweite
Klimamodelle maßgeblich ist. 2011 hatte GOCE zudem Schallwellen gemessen, die
das schwere Erdbeben vor Japan am 11. März erzeugt hatte, und wurde so praktisch
zum ersten Seismometer im All.
Für die tägliche präzise Bahnbestimmung aus den Daten des Bordempfängers des
Global Positioning System (GPS) war dabei das Astronomische Institut
der Universität Bern (AIUB)zuständig. Bereits sechs Jahre vor Beginn der
GOCE-Mission begannen dort die Vorbereitungsarbeiten für das Projekt. "Für ein
relativ kleines Institut wie das AIUB war die Beteiligung an einem ESA-Projekt
mit derart langer Laufzeit ein absoluter Glücksfall", meint Prof. Adrian Jäggi,
der Direktor des AIUB.
Das AIUB war für die ESA erster Ansprechpartner, weil es in der GPS-
Datenauswertung und der präzisen Satellitenbahnbestimmung global eine
Spitzenposition einnimmt und es nur wenige Institutionen weltweit gibt, welche
die hohe Anforderung von zwei Zentimetern Bahngenauigkeit überhaupt erfüllen
können. Für die präzise Bahnbestimmung des GOCE-Satelliten wurde die am AIUB
seit vielen Jahren kontinuierlich weiterentwickelte "Bernese GPS Software2
verwendet. Es handelt sich dabei um ein wissenschaftliches Programmpaket zur
hochpräzisen Auswertung von GPS-Messungen und wird heute von mehr als 500
Institutionen in der Forschung und der Landesvermessung eingesetzt.
Mehr als vier Jahre, fast dreimal so lang wie ursprünglich geplant, hat GOCE
auf der niedrigsten Umlaufbahn, in der je ein Forschungssatellit flog, die Erde
umkreist. Wegen der geringen Höhe der Flugbahn und der dort herrschenden
atmosphärischen Reibung brauchte es ein Ionentriebwerk, um den Satelliten
beständig auf gleicher Höhe zu halten. "Die zwei Zentimeter Bahngenauigkeit auf
einer solch niedrigen Umlaufbahn jederzeit zu garantieren, war eine
beträchtliche Herausforderung für uns", erinnert sich Dr. Heike Bock, die am
AIUB seit Beginn des GOCE-Projekts für die Bahnbestimmung zuständig ist.
Hinzu kommt, dass bei solch kleinen tolerierbaren Abweichungen nur schwer
überprüft werden kann, ob diese auch eingehalten werden. Eine Möglichkeit sind
hochpräzise Laserdistanzmessungen von weltweit verteilten Beobachtungsstationen
zum Satelliten. "Diese haben die Qualität der am AIUB berechneten Bahnen
eindrücklich bestätigt", so Bock weiter. Eine dieser Stationen ist das vom AIUB
betriebene Observatorium in Zimmerwald bei Bern.
Ende Oktober 2013 hat der Satellit GOCE seinen Treibstoff nun vollständig
aufgebraucht und die Mission wurde von der ESA offiziell für beendet erklärt.
Ohne Treibstoff kann der Satellit nicht länger auf seiner sehr niedrigen
Erdumlaufbahn gehalten werden und verliert seitdem kontinuierlich an Höhe. Die
beiden GPS-Bordempfänger sind aber weiterhin in Betrieb und werden solange Daten
liefern, bis die Instrumente aufgrund der rauhen Bedingungen auf niedriger Höhe
ausgeschaltet werden müssen. "So lange die Messinstrumente noch Daten liefern,
werden wir die Bahn des GOCE-Satelliten bis zur letzten Minute weiterverfolgen",
so Bock.
Und bislang liefern sie noch Daten. In einer Mitteilung der ESA von heute
heißt es, dass beide GPS-Empfänger noch funktionieren und der Satellit auch
sonst noch fehlerfrei arbeitet. Er befindet sich in einer Höhe von rund 170
Kilometern, dürfte im Laufe des Tages aber mehr als acht Kilometer an Höhe
verlieren. Die Reibung wird damit weiter zunehmen, was das Absinken von GOCE
beschleunigt.
Aktuelle Modelle gehen von einem Absturz des Satelliten am Sonntag oder
Montag aus. Dabei könnten 40 bis 50 Trümmerteile mit einer Gesamtmasse von bis
zu 250 Kilogramm den Erdboden erreichen. Die genaue Region, die davon betroffen
sein wird, lässt sich erst eingrenzen, wenn die Prognosen präziser werden.
Update (9. November 2013): Am Morgen hatte GOCE noch eine
Höhe von 160 Kilometern. Die ESA rechnet damit, dass die Bahnhöhe heute um über
13 Kilometer absinkt. Der Wiedereintritt in die Atmosphäre sei weniger als zwei
Tage entfernt, so die Raumfahrtagentur.
Update (10. November 2013, 12 Uhr): Am Sonntagmorgen hatte GOCE noch eine
Höhe von rund 147 Kilometern. Die Bahnhöhe sinkt gegenwärtig allerdings pro
Stunde um mehr als einen Kilometer. Dies dürfte sich durch die immer dichter
werdende Atmosphäre noch weiter beschleunigen. Noch funktionieren die Systeme
des Satelliten, die Temperaturen steigen aber an. Mit dem Auseinanderbrechen des
Satelliten rechnet man in einer Höhe von etwa 80 Kilometern. Bei der ESA glaubt
man, dass die letzten 24 Stunden von GOCE bereits begonnen haben.
Update (10. November 2013, 13.45 Uhr): Die ESA erwartet den
Wiedereintritt von GOCE heute zwischen 19.30 Uhr und 1 Uhr und schließt Absturz
über Europa mit hoher Wahrscheinlichkeit aus. Absturzort liegt vermutlich über
dem Meer oder den Polarregionen.
Update (10. November 2013, 17.45 Uhr): Die ESA meldet, dass
GOCE beim letzten Funkkontakt eine Höhe von 133 Kilometern hatte und mit einer
Geschwindigkeit von 1,5 Kilometer pro Stunde weiter absinkt. Die GPS-Empfänger
funktionieren noch einwandfrei.
Update (10. November 2013, 23.15 Uhr): Die ESA hat ihre
Schätzung der Absturzzeit korrigiert: Absturz vermutlich jetzt zwischen 23.50
Uhr und 1.50 Uhr MEZ. Um 22.16 Uhr MEZ bestand noch Kontakt zur GOCE von einer
Station in der Antarktis aus. Um 21.18 Uhr MEZ flog GOCE noch 124 Kilometer
hoch. Vermutliche Absturzregion: Indischer Ozean oder Pazifik.
Update (11. November 2013, 0.20 Uhr): GOCE beim Überflug
über Troll-Kommunikationsstation in der Antarktis um 23.42 Uhr MEZ noch
funktionsfähig. Höhe unter 120 Kilometer.
Update (11. November 2013, 1.10 Uhr): GOCE dürfte in diesen
Minuten zerbrechen und abstürzen.
Update (11. November 2013, 11 Uhr): In einer offiziellen
Pressemitteilung schreibt die europäische Raumfahrtagentur ESA: "Am 11. November
gegen 1.00 Uhr MEZ trat der ESA-Satellit GOCE während eines Überflugs, der ihn
über Sibirien, den westlichen Teil des Pazifischen Ozeans, den östlichen Teil
des Indischen Ozeans und die Antarktis führte, in die Erdatmosphäre ein." Es gab
keine Berichte über Schäden durch herabfallende Trümmerteile.
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