Wir sind nicht im Zentrum des Universums
von Stefan Deiters astronews.com
8. November 2013
Könnte die beschleunigte Expansion des Universums nur eine
Illusion und damit die Dunkle Energie gar nicht nötig sein, um die Entwicklung
des Weltalls zu erklären? Diese radikale These könnte man aufstellen, wenn wir
uns im Zentrum des Universums befinden würden. Zwei Astronomen haben sich nun
Beobachtungsdaten angeschaut und festgestellt: Dort befinden wir uns mit
Sicherheit nicht.
Diese Karte des Satelliten WMAP zeigt winzige
Schwankungen der Temperatur der kosmischen
Hintergrundstrahlung.
Bild: NASA / WMAP Science Team |
Das Weltall, so lernt man heute, besteht zum größten Teil nicht etwa aus den
Sternen, die wir überall sehen können, sondern aus einer mysteriösen Dunklen
Materie und aus einer noch geheimnisvolleren Dunklen Energie. Letztere sorgt
dafür, dass sich das Universum beschleunigt ausdehnt. Die entsprechende
Entdeckung wurde 2011 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
Doch kann es sich bei der beschleunigten Expansion des Universums nicht nur
um eine Art optische Täuschung handeln? Diese radikale These ließe sich
aufstellen, wenn sich die Erde, das Sonnensystem und die Milchstraße im Zentrum
des Universums befinden würden - im Widerspruch zu allem, was Kosmologen einem
bislang über das Weltall erzählen.
Für die Kosmologen gibt es nämlich in unserem Raum kein Zentrum des
Universums und keinen Ort, der gegenüber anderen Orten irgendwie ausgezeichnet
ist. Die Annahme, dass Beobachtungen von der Erde aus im Großen und Ganzen die
gleichen Resultate über das Universum liefern, wie die gleichen Beobachtungen
von jedem anderen Ort im Weltall, und dass die Ergebnisse zudem auch unabhängig
von der Richtung sind, in die man die Beobachtungen durchführt, bezeichnet man
als "kosmologisches Prinzip".
Robert Caldwell, Professor für Physik und Astronomie am Dartmouth College
in Hanover im US-Bundesstaat New Hampshire, hat sich aber nicht auf die Weisheit
der Kosmologen verlassen, sondern sich mit seiner Studentin Nina Maksimova der
Frage angenommen, ob die These, dass wir uns im Mittelpunkt des Universums
befinden, sich mit den vorliegenden Beobachtungsdaten in Einklang bringen lassen
würde - insbesondere mit der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung, die oft
auch als "Echo des Urknalls" bezeichnet wird.
Dazu berechneten die Forscher, wie diese Hintergrundstrahlung aussehen
müsste, wenn wir uns tatsächlich im Zentrum des Universums befinden würden: Die
Daten dieses Modells lieferten jedoch ein komplett anderes Bild als das, was mit
Sonden wie WMAP oder Planck mit großer Genauigkeit vom kosmischen
Mikrowellenhintergrund aufgezeichnet wurde.
"Im Grunde genommen, haben wir dem Universum einen Spiegel vorgehalten und
dann gefragt, ob das Spiegelbild irgendwie besonders ist", vergleicht Caldwell.
"Das Spiegelbild zeigt, dass wir offenbar nicht an einem speziellen Ort leben
und kann damit ganz entschieden diese Möglichkeit zur Erklärung der
beschleunigten Ausdehnung des Universums ausschließen. Es wäre eine große
Erleichterung gewesen, wenn wir ein grundlegendes Problem der Kosmologie allein
mit den bekannten Gesetzen der Physik hätten verstehen können, aber unsere
Untersuchung ist ein wichtiger Schritt, um die Physik zu erklären, die für die
kosmische Beschleunigung verantwortlich ist."
Über ihre Studie berichten Caldwell und Maksimova in einem Fachartikel der
jetzt in der Zeitschrift Physical Review D erschienen ist.
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