Schlittert Trockeneis die Dünen hinab?
von Stefan Deiters astronews.com
13. Juni 2013
Eigentümliche lineare Rinnen, die man an den Hängen von
Dünen auf dem Mars beobachtet hat, könnten durch Brocken aus gefrorenem
Kohlendioxid entstehen, die auf einem Kissen aus Gas den Abhang
hinunterschlittern. Dies ergab die Auswertung von Aufnahmen der Sonde Mars
Reconnaissance Orbiter und ein ganz praktisches Experiment auf der Erde.
Bestimmte Rinnen
an den Hängen von Marsdünen könnten durch
herabrutschendes Trockeneis entstanden sein.
Bild: NASA/JPL-Caltech / Univ. of Arizona [Großansicht] |
"Ich habe immer davon geträumt, den Mars zu besuchen", meint Serina Diniega vom
Jet Propulsion Laboratory der NASA. "Jetzt träume ich davon, wie mit
einem Snowboard auf einem Block aus Trockeneis eine Marsdüne hinunterzufahren."
Nach einer in der Fachzeitschrift Icarus vorgestellten Studie könnten
solche Brocken aus gefrorenem Kohlendioxid, das man auch Trockeneis nennt,
regelmäßig die Abhänge von Dünen auf dem roten Planeten hinuntergleiten und
dabei ganz charakteristische Rinnen im Sand hinterlassen.
Diese auffälligen Hangrinnen sind relativ gerade, haben eine recht konstante
Breite von einigen Metern und einen etwas höheren Rand auf beiden Seiten. Im
Gegensatz zu Rinnen, die vermutlich durch fließendes Wasser entstanden sind,
findet sich an ihrem Ende jedoch kein fächerförmiger Bereich, in dem sich
Material abgesetzt hat, das durch das Wasser mitgerissen wurde. Stattdessen
sieht man an ihrem Ende oft eine kleinere Senke.
"Ist Wasser im Spiel, werden davon Sedimente den Berg hinabtransportiert und das
Material vom oberen Bereich des Hangs gelangt so ans untere Ende, wo es sich in
einem fächerförmigen Bereich absetzt", erklärt Diniega. "Bei linearen Hangrinnen
wird kein Material transportiert. Stattdessen entstehen Furchen und es wird
Material an die Seite gedrückt."
Auf Bildern des High Resolution Imaging Experiment (HiRISE) an Bord der
NASA-Sonde Mars Reconnaissance Orbiter sind diese linearen Rinnen
insbesondere an den Abhängen von Dünen zu erkennen, die während des Marswinters
von Kohlendioxidfrost überzogen sind. Durch den Vergleich von Aufnahmen aus
verschiedenen Jahreszeiten, konnten die Wissenschaftler ermitteln, dass die
Rinnen offenbar zu Beginn des Frühlings entstehen. Auf einigen Bildern waren
sogar helle Objekte in den Rinnen zu erkennen.
Die Forscher vermuten daher, dass es sich bei den hellen Objekten um Brocken von
Trockeneis handelt, die in höheren Bereichen abgebrochen sind. Die Senken am
Ende der Rinnen könnten entstehen, wenn diese Brocken schließlich liegenbleiben
und sich komplett in Gas auflösen. "Lineare Hangrinnen sehen nicht wie
Hangrinnen auf der Erde oder andere Rinnen auf dem Mars aus und solche Prozesse
würde es auf der Erde auch nicht geben", so Diniega. "Trockeneisblöcke findet
man auf der Erde nicht, es sei denn, man kauft sie sich."
Und genau dies hat Candice Hansen vom Planetary Science Institute, eine
Co-Autorin der Studie, getan, um der Sache weiter auf den Grund zu gehen. Sie
kaufte größere Brocken von Trockeneis und ließ diese Sanddünen hinunterrutschen.
Dabei stellte sie fest, dass durch gasförmiges Kohlendioxid aus dem auftauenden
Eis eine Art Gleitschicht unter dem Trockeneisblock entsteht. Als der Brocken
den Hang hinunterrutschte, wurden zudem auf beiden Seiten kleine Dämme aus Sand
aufgetürmt.
Die Bedingungen während des Experiments waren zwar nicht mit denen auf dem Mars
vergleichbar, doch deuten Berechnungen darauf hin, dass sich Trockeneis auf dem
roten Planeten ganz ähnlich verhalten sollte. Selbst Wassereis könnte dort
unter bestimmten Bedingungen direkt vom festen in den gasförmigen Zustand
übergehen, allerdings würde es bei den Temperaturen, bei denen diese Rinnen
entstehen, noch gefroren bleiben.
"Der Mars Reconnaissance Orbiter zeigt uns, dass der Mars ein sehr
aktiver Planet ist", so Hansen. "Einige Prozesse, die wir dort beobachten,
ähneln denen auf der Erde. Diesen allerdings gibt es nur auf dem Mars." Das
Phänomen könnte sogar ausschließlich an den Hängen von Sanddünen zu beobachten
sein.
"Es gibt ganz unterschiedliche Strukturen auf dem Mars, die alle unter dem
Begriff 'Hangrinnen' zusammengefasst werden, die aber durch ganz verschiedene
Prozesse entstehen", erläutert die Wissenschaftlerin. "Nur weil diese
Trockeneis-Hypothese einen Typ offenbar sehr gut erklären kann, muss dies nicht
bedeuten, dass er auch auf andere anwendbar ist."
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