Neuer Blick auf den roten Planeten
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
3. Juni 2013
Vor zehn Jahren, am 2. Juni 2003, startete mit Mars
Express erstmals eine europäische Raumsonde zum Mars. Der wissenschaftliche
Ertrag der Mission ist beachtlich und wurde heute von der ESA auf einer
Jubiläumsveranstaltung gewürdigt. Dort wurden auch neue Karten des roten
Planeten vorgestellt, die die Verteilung verschiedener Mineralien auf der
Oberfläche zeigen.

Die europäische
Sonde Mars Express startete am 2. Juni 2003 zum
roten Planeten.
Bild: Medialab ESA |
Gräben, verzweigte Täler, Lavaflüsse oder auch den höchsten Berg im
Sonnensystem
- auf den Bildern der deutschen Stereokamera, die mit der europäischen Sonde
Mars Express um den roten Planeten fliegt, ist die Topographie des Mars so
plastisch, dass man durch sie hindurchspazieren könnte. "Zum ersten Mal konnten
wir den Mars räumlich - dreidimensional - sehen", schwärmt Prof. Ralf Jaumann,
Projektleiter für die Mission im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt
(DLR).
Ermöglicht wurde dies durch die europäische Sonde Mars Express, die
am 2. Juni 2003 zum Mars startete und den roten Planeten seitdem fast 12.000 Mal
umrundet hat. Die Kamera - eines der wichtigsten Instrumente auf der Raumsonde
- wurde noch während des Flugs zum Mars zur Erde hin gedreht und lieferte den
ersten Beweis, dass sie den Start vom Weltraumbahnhof in Baikonur gut
überstanden hatte: Aus knapp acht Millionen Kilometern Entfernung schoss die
Kamera am 3. Juli 2003 eine Test-Aufnahme von Erde und Mond.
Am DLR-Institut für Planetenforschung, das die Kamera entwickelt hat und
betreibt, war die Erleichterung groß. Als die Sonde dann nur noch 5,5 Millionen
Kilometer vom roten Planeten entfernt war, gelang dann die nächste Aufnahme. Als
helle und dunkle Flächen waren die verschiedenen Strukturen zu erkennen, die
Eiskappe am Südpol leuchtete weiß. Am 25. Dezember 2003 erreichte die Sonde dann ihr Ziel - und sorgte für den ersten Schreck. Die Stereokamera blickte
erstmals dicht über dem Mars hinunter und lieferte ein fast weißes Bild.
"Da haben alle erst einmal geschluckt", erinnert sich Jaumann. Funktionierte
die weltraumtaugliche Kamera nicht? Für die Wissenschaftler wäre der Ausfall des
Instruments eine herbe Enttäuschung gewesen. Doch einer der neun verschiedenen
Kanäle der Kamera - der Infrarotkanal - zeigte immerhin schwache Konturen der
Marsoberfläche. Die Problemlösung war dann schnell gefunden: Die Sensitivität
der Kamera war nahe am Mars viel größer als von den Forscher erwartet, und die
erste Aufnahme war daher "überbelichtet".
Zwei weitere Marsumkreisungen später wurde dann mit der richtigen
Belichtungszeit aus 277 Kilometern Höhe am 10. Januar 2004 die erste von vielen
erfolgreichen Aufnahmen gemacht. Detail für Detail zeigte sich ein Teil der
südlichen Hochländer nahe der Isidis Planitia.
Mittlerweile ist aus den zahlreichen Aufnahmen fast ein kompletter "Globus"
in 3D des roten Planeten entstanden. Wie ein Puzzle setzen die Wissenschaftler
Stück für die Stück die Aufnahmen der Kamera zusammen und erstellen so eine
globale Landkarte vom Mars. Von den 145 Millionen Quadratkilometern Marsfläche
sind bereits 97 Millionen mit einer sehr guten Auflösung abgedeckt, bei der ein
Pixel weniger als 20 Meter entspricht. Mit einer Genauigkeit von weniger als
100 Metern wurde mittlerweile fast die gesamte Marsoberfläche erfasst.
Zum Teil machen atmosphärische Störungen wie Wolken, Dunst, Staubstürme oder
die gefürchteten Staubteufel, die Wirbelwinde auf dem Mars, eine Aufnahme
unbrauchbar - dann entsteht eine Lücke, die bei einem der nächsten Überflüge
gefüllt wird. "Damit entsteht der umfangreichste Datensatz, der je mit einem
deutschen Instrument zur Erkundung unseres Sonnensystems gewonnen wurde", sagt
Jaumann. Kombiniert werden diese Daten mit den Datensätzen anderer Missionen wie
Mars Global Surveyor oder auch den Daten weiterer Instrumente auf der
Mars Express-Sonde.
Dass die Täler, Canyons und Lavaströme auch in 3D zu sehen sind, ermöglicht
das ungewöhnliche Aufnahmeprinzip der Kamera: Nacheinander tasten neun
lichtempfindliche Detektoren die Oberfläche unter neun verschiedenen
Beobachtungswinkeln ab. Diese Daten wiederum werden von den
DLR-Planetenforschern zu digitalen Geländemodellen und dreidimensionalen Bildern
verarbeitet. "Wir können die gesamte Topographie beinahe so sehen, als würden
wir vor Ort auf dem Mars stehen", betont Jaumann.
Mit den Aufnahmen der Mars-Express-Kamera konnten die Wissenschaftler
beispielsweise feststellen, dass der Vulkanismus auf dem Mars noch relativ jung
ist: Einige der Schildvulkane in der Marsprovinz Tharsis waren noch vor wenigen
Millionen Jahren aktiv - für Geologen liegt das noch in der nahen Vergangenheit
des Planeten. Auch heute könnten die Vulkane durchaus noch einen Rest dieser
ehemaligen Aktivität haben.
Die Bilder der Stereokamera HRSC (High Resolution Stereo Camera)
zeigten den Planetenforschern aber noch mehr: Auch wenn der Mars heute keine
Bedingungen für flüssiges Wasser bietet - in seiner Vergangenheit muss Wasser
über seine Oberfläche geflossen sein, das beispielsweise die vor drei bis vier
Milliarden Jahren tiefe Täler ins Hochland schliff und riesige Ausflusstäler
schuf. Mit dem ultrahochauflösenden Teleobjektiv der Kamera können so
detailreiche Aufnahmen gemacht werden, dass gerade geologische Prozesse, an
denen Wasser beteiligt war, beobachtet werden können.
Möglich ist auch, dass es im Laufe der Geschichte immer wieder fließende und
stehende Gewässer auf dem heute so trockenen, staubigen Planeten gab. Es müssen
also in der Frühphase des Planeten andere klimatische Bedingungen geherrscht
haben. Gut erkennbar ist dies auch auf den dreidimensionalen Bildern, die unweit
des Äquators Strukturen zeigen, die von Gletschern stammen.
Mehr über die Klimageschichte des Mars lässt sich auch den Karten entnehmen,
die heute von der europäischen Raumfahrtagentur ESA im Rahmen einer
Jubiläumsveranstaltung vorgestellt wurden. Sie basieren auf Daten des
Spektrometers OMEGA (Observatoire pour la Minéralogie, l’Eau, les Glaces et
l’Activité) an Bord von Mars Express und zeigen die Verteilung von
Mineralien, deren Entstehung sich durch Wasser, vulkanische Aktivität und durch
Verwitterung erklären lässt.
Die Karten liefern den Wissenschaftlern wichtige geologische
Hintergrundinformationen über die Prozesse, die dazu geführt haben, dass der
Mars heute so aussieht, wie Mars Express und andere Sonde ihn
beobachten. Die Mineralien wurden aus der spektralen Analyse des Lichts
bestimmt, das von der Oberfläche des Planeten reflektiert wurde. "Die Geschichte
des Mars ist in seinen Mineralien kodiert", so Alvaro Giménez, der ESA-Direktor
für Wissenschaft und robotische Exploration. "Diese neuen globalen Ansichten,
die nur durch die Langlebigkeit von Mars Express möglich wurden, helfen
uns, die Geheimnisse von 4,6 Milliarden Jahren Planetenentwicklung zu
entschlüsseln."
Langlebig ist Mars Express in der Tat: Ursprünglich war die Mission
für die Dauer eines Marsjahres ausgelegt, was etwa zwei Erdjahren entspricht. In
den vergangenen zehn Jahren verlängerte die ESA die Mission aber immer wieder.
Nun soll die Sonde noch bis Ende 2014 um den Mars kreisen. "Das ist eigentlich
das Fazit zu den vergangenen zehn Jahren", meint Jaumann. "Alles funktioniert
noch bestens, und wir bekommen aktuelle Daten, die für die Erforschung des Mars
wichtig sind."
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