Neues Leben für alte Fotoplatten
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Erlangen-Nürnberg astronews.com
22. März 2013
An der Bamberger Dr.-Remeis-Sternwarte haben Astronomen
jetzt damit begonnen, das umfangreiche Archiv historischer Fotoplatten zu
digitalisieren. Mithilfe der teils fast 90 Jahre alten Beobachtungen waren in
den letzten Jahrzehnten zahlreiche veränderliche Sterne aufgespürt worden. Von
der Digitalisierung erhoffen sich die Astronomen nun weitere Entdeckungen.

Diese etwa 16 mal 16 Zentimeter große Fotoplatte
entstand bei der Durchmusterung des Südhimmels
und wurde am Boyden-Observatorium in Südafrika
aufgenommen. Sie zeigt die Große Magellansche
Wolke, die nächste Nachbargalaxie unserer
Milchstraße.
Bild: idw / FAU |
Wer das Archiv des Astronomischen Instituts der
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) betritt, kann mit
eigenen Augen ein kleines Kapitel der Geschichte des Universums betrachten. Dort
- in der Bamberger Dr.-Remeis-Sternwarte - lagern, in Stahlschränken sicher
verwahrt, rund 40.000 gläserne Fotoplatten, die etwa fünf Jahrzehnte aus dem
Leben der Sterne zeigen. Ein großer Teil der Aufnahmen ist weltweit einzigartig
und für die Forschung von unschätzbarem Wert.
Deshalb haben die Wissenschaftler der FAU jetzt begonnen, die Aufnahmen in
einem aufwändigen Verfahren zu digitalisieren. In dem Projekt, das von der
Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird, kooperieren sie mit
Fachkollegen der Universität Hamburg und des Leibniz-Instituts für Astrophysik
in Potsdam, die noch einmal insgesamt 45.000 historische Fotoplatten verwahren.
Mehrere Generationen von Wissenschaftlern haben daran gearbeitet, das Archiv
des Astronomischen Instituts zusammenzutragen. Es beherbergt die Ausbeute zweier
Himmelsdurchmusterungen, deren Ziel es war, sogenannte veränderliche Sterne zu
finden - Sterne, deren Helligkeit über längere Zeiträume betrachtet schwankt -
und zum Beispiel mehr über den Lebenszyklus der Sterne und die Häufigkeit von
Sternenexplosionen herauszufinden.
Im Jahr 1925 haben die Bamberger Astronomen damit begonnen, den nördlichen
Sternenhimmel systematisch abzufotografieren. Zwischen 1963 und 1976 widmeten
sich die Forscher dann von Observatorien in Südafrika, Neuseeland und
Argentinien aus der Beobachtung des Südhimmels. Diese Aufnahmen - immerhin
20.000 Platten - sind weltweit einmalig, denn in den 1960er Jahren gab es keine
weiteren astronomischen Projekte, die den Südhimmel überwachten.
Den Sternenhimmel auf eine Fotoplatte zu bannen, war ein aufwändiges
Verfahren: Rund eine Stunde musste das Negativ händisch in der Weitwinkelkamera
belichtet werden, um auch schwach leuchtende Sterne sichtbar zu machen. Heute
stehen den Wissenschaftlern robotisch arbeitende Teleskope zur Verfügung, die
über das Internet verbunden sind, außerdem hoch empfindliche Kameras, die selbst
schwache Lichtquellen abbilden können.
Mühselig gestaltete sich auch die Auswertung der Fotoplatten, denn jede
einzelne zeigt zehntausend bis hunderttausend Sterne. Die Suche nach
"Veränderlichen" war also sprichwörtlich eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
Wichtigstes technisches Hilfsmittel der Astronomen war der Blinkkomparator, mit
dem sich je zwei Aufnahmen des gleichen Himmelsabschnitts miteinander
vergleichen lassen und der ganz ähnlich wie ein Daumenkino funktioniert: Der
Apparat zeigt die beiden Fotoplatten abwechselnd in schneller Folge, so dass
veränderliche Sterne als blinkende Punkte zu erkennen sind.
Auf diese Weise haben FAU-Wissenschaftler rund 1.700 solcher Sterne entdeckt,
die als die "Bamberger Veränderlichen" in die Fachliteratur eingegangen sind.
"Doch dies ist nur die Spitze des Eisbergs", meint Prof. Dr. Ulrich Heber vom
Astronomischen Institut der FAU. "Mit modernen Computertechniken können wir nun
die Liste der Bamberger Veränderlichen verlängern - und das fast 40 Jahre nach
dem Ende der Durchmusterungen."
Deshalb haben die Wissenschaftler die Platten aus den Archiven geholt und
damit begonnen, sie in hoher Auflösung einzuscannen und mit den so genannten
Logbuch-Einträgen zu verknüpfen. Das sind Notizen, die die Wissenschaftler beim
Beobachten und Auswerten der Aufnahmen gemacht haben. Aus diesen Informationen
lässt sich zum Beispiel ablesen, wann und wo die Aufnahmen angefertigt wurden.
Die gewaltigen Datenmengen, die dabei generiert werden – insgesamt etwa zehn
Terabyte –, müssen verarbeitet und mit komplexen Algorithmen genau kalibriert
werden. Dann können künftig Wissenschaftler aus aller Welt damit arbeiten. Über
das internationale Virtual Observatory werden die Bilder mit unzähligen
anderen Himmelsaufnahmen vernetzt und sind jedermann zugänglich. So lassen sich
die historischen Aufnahmen mit aktuellen Bildern vergleichen und erlauben ganz
neue Erkenntnisse über das Werden, Sein und Vergehen der Sterne.
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