Infrarotblick auf 47 Tucanae
von Stefan Deiters astronews.com
10. Januar 2013
Die europäische Südsternwarte ESO hat heute eine neue
Aufnahme des Kugelsternhaufens 47 Tucanae veröffentlicht, die mit dem
Visible and Infrared Survey Telescope for Astronomy (VISTA) auf dem Gipfel
des Paranal in Chile entstanden ist. Sie zeigt den spektakulären, 15.000
Lichtjahre entfernten Kugelsternhaufen in eindrucksvoller Brillanz.
VISTAs Blick auf 47 Tucanae.
Bild: ESO /
M.-R. Cioni / VISTA Magellanic Cloud survey /
Cambridge Astronomical Survey Unit
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Kugelsternhaufen sind gewaltige Ansammlungen von alten Sternen, die durch
ihre gegenseitige Anziehungskraft zusammengehalten werden. Rund um das Zentrum
der Milchstraße kennt man etwa 150 dieser Objekte und auch um zahlreiche andere
Galaxien hat man diese eindrucksvollen Sternenbälle schon beobachtet.
Die Sterne in Kugelsternhaufen haben alle dasselbe Alter, sind also zur
gleichen Zeit entstanden. Das macht die Haufen zu interessanten Studienobjekten
für Wissenschaftler, die sich für die Entwicklung von Sternen und
Sternenpopulationen interessieren. Neue Sterne entstehen in Kugelsternhaufen
nicht mehr, da sie praktisch kein Gas, also den Grundbaustein für Sterne, mehr
enthalten.
Kugelsternhaufen sind aber noch aus einem anderen Grund interessant: In ihren
dichten Zentralregionen kann es zu Wechselwirkungen und sogar zu tatsächlichen
Kollisionen von Sternen kommen, wodurch neue, exotische Objekte entstehen. 47
Tucanae ist da keine Ausnahme. Der auch unter der Bezeichnung NGC 104 bekannte
Kugelsternhaufen im Sternbild Tukan ist rund 15.000 Lichtjahre von der Erde
entfernt und gehört mit zu den hellsten und massereichsten Kugelsternhaufen der
Milchstraße. Er ist bereits mit bloßem Auge zu erkennen.
Mit einem Durchmesser von rund 120 Lichtjahren erscheint 47 Tucanae am Himmel
in etwa so groß wie der Vollmond. Der Haufen besteht aus mehreren Millionen
Sternen, darunter zahlreiche eigentümliche Systeme, wie Röntgenquellen, variable
Sterne, Millisekundenpulsare oder unerwartet helle normale Sonnen, die es
eigentlich dort gar nicht mehr geben sollte - sogenannte Blue Straggler.
Angesichts ihrer Helligkeit und Masse hätten diese Blue Straggler
eigentlich ihr nukleares Leben schon längst beendet haben müssen. Je
massereicher ein Stern nämlich ist, desto schneller verbraucht er seinen
nuklearen Brennstoff im Inneren. Die Astronomen vermuten daher, dass Blue
Straggler das Ergebnis von Wechselwirkungen zwischen zwei Sternen sind und
es sich bei ihnen um "verjüngte" Sterne handelt.
Auffällig auf dem jetzt von der Europäischen Südsternwarte ESO
veröffentlichten Bild sind auch zahlreiche Rote Riesen, die über den ganzen
Haufen verteilt und anhand ihrer tieforangen Farbe gut zu erkennen sind. Das
extrem dichte Zentrum des Haufens hebt sich gut von den etwas weniger mit
Sternen bevölkerten äußeren Regionen von 47 Tucanae ab.
Die Aufnahme entstand mit dem Visible and Infrared Survey Telescope for
Astronomy (VISTA) der ESO, das Teil des Paranal-Observatoriums in Chile
ist. VISTA ist das größte Teleskop der Welt, das allein für
Himmelsdurchmusterungen entwickelt wurde. Die Aufnahme entstand bei einer
Kartierung der Magellanschen Wolken, zweier Satellitengalaxien der Milchstraße.
Deswegen sind im Bildhintergrund auch zahlreiche Sterne der Kleinen
Magellanschen Wolke erkennbar, die zufällig in der gleichen Himmelsregion wie 47
Tucanae liegt, aber deutlich weiter entfernt ist.
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