Eisschollen auf den Seen Titans?
von Stefan Deiters astronews.com
9. Januar 2013
In einer neuen Studie kommen Wissenschaftler der Cassini-Mission
zu dem Schluss, dass auf den Seen des Saturnmonds Titan Eis aus
Kohlenwasserstoff schwimmen könnte. Dies würde erklären, warum bei
Radarbeobachtungen die Seen zuweilen eine sehr unterschiedliche Reflektivität
zeigen. Solches Eis könnte zudem auch für die Entstehung von Leben auf dem Mond
eine Bedeutung haben.

Könnte es auf
den Seen Titans Kohlenwasserstoffeis geben, wie
auf dieser künstlerischen Darstellung zu sehen
ist?
Bild: NASA/JPL-Caltech/USGS |
"Eine der wohl faszinierendsten Fragen in Bezug auf die Seen des Titan ist, ob
sie irgendeine exotische Form von Leben beherbergen könnten", so Jonathan Lunine
von der amerikanischen Cornell University. "Die Bildung von
schwimmendem Kohlenwasserstoffeis könnte die Möglichkeit einer interessanten
Chemie an den Übergängen zwischen flüssig und fest schaffen. Eine solche Grenze
hat eventuell auch bei der Entstehung des Lebens auf der Erde eine wichtige
Rolle gespielt."
Titan ist - außer der Erde - das einzige Objekt im Sonnensystem, auf dem es
einen Flüssigkeitskreislauf auf der Oberfläche gibt. Die Rolle des verdampfenden
und wieder abregnenden Wassers übernehmen auf dem größten Saturnmond allerdings
Kohlenwasserstoffe wie Methan und Ethan. Aus ihnen können auch komplexere
Verbindungen entstehen und eventuell auch Grundbausteine für Leben. Auf Titan
hat man inzwischen zahlreiche Seen und auch Flusssysteme aus Kohlenwasserstoffen
entdeckt (astronews.com berichtete wiederholt).
Bislang hatten die Cassini-Wissenschaftler es aber für
unwahrscheinlich gehalten, dass auf den Seen des Saturnmonds Eis schwimmt, da
festes Methan eine höhere Dichte als flüssiges Methan hat und deswegen absinken
würde. Eine neues Modell hat nun allerdings gezeigt, dass es doch möglich sein
könnte. Das Modell berücksichtigt Wechselwirkungen zwischen dem See und der
Atmosphäre des Titan, wodurch es zu verschiedenen Zusammensetzungen des Eises
kommen kann, sowie Stickstoffeinschlüsse und unterschiedliche Temperaturen. Die
Bildung von Eis könnte die unterschiedliche Reflektivität erklären, die bei
Radarbeobachtungen der Seen durch die Sonde Cassini aufgefallen waren.
Das Team stellte nämlich fest, dass Eis tatsächlich auf methan- und ethanreichen
Seen schwimmen kann, wenn die Temperatur unterhalb des Gefrierpunkts von Methan,
also unterhalb von minus 182,75 Grad Celsius liegt. Entscheidend sei dabei nur,
unabhängig von den verschiedenen Eissorten, dass in dem Eis mindestens fünf
Prozent "Luft" aus der Atmosphäre eingeschlossen ist - ein Wert, der bei jungem
Seeeis auf der Erde durchaus üblich ist.
Ist die Temperatur einige Grad niedriger, würde dieses Eis dann allerdings auch
absinken, was am relativen Verhältnis von Stickstoff in der Flüssigkeit und im
Eis liegt. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt von Methan hingegen könnte es
sowohl schwimmendes als auch absinkendes Eis geben, also eine Art Eiskruste auf
dem See und Eisblöcke auf dem Seeboden. Unsicher sind sich die Wissenschaftler
noch, welche Farbe das Eis haben würde. Sie vermuten, dass es, wie auf der Erde,
farblos wäre. Es könnte allerdings von der Titan-Atmosphäre einen leicht
bräunlich-rötlichen Schimmer haben.
Lange bevor vielleicht einmal eine Sonde die Theorie der Wissenschaftler vor Ort
überprüfen kann, könnte die Saturnsonde Cassini helfen, die neuen Ideen
über Eisschollen auf den Titan-Seen zu testen. Cassini sollte nämlich
mit seinem Radarinstrument Veränderungen feststellen, wenn sich die Seen im
Frühling erwärmen und Eis an die Oberfläche kommt. Der Frühling hat auf der
Nordhalbkugel des Mondes inzwischen begonnen. Das Eis sollte dann für eine
höhere Reflektivtät sorgen, so dass die Seen auf den Radarbildern heller
erscheinen. Bei weiterer Erwärmung würde das Eis schließlich tauen und die Seen
müssten auf den Radarbildern dunkler werden.
"Cassinis verlängerter Aufenthalt im Saturnsystem gibt uns die
einmalige Möglichkeit, die jahreszeitlichen Veränderungen auf Titan zu
verfolgen", so Linda Spilker, die Cassini-Projektwissenschaftlerin am
Jet Propulsion Laboratory der NASA. "So werden wir sehen, ob diese
Theorie richtig ist." Die Cassini-Mission war von der NASA 2010 bis ins
Jahr 2017 verlängert worden. Die Sonde wird den Saturn und seine Monde damit
noch bis kurz nach der Sommersonnenwende auf der Nordhalbkugel erforschen
können. Cassini hatte den Saturn kurz nach der Wintersonnenwende auf
der Nordhalbkugel des Planeten erreicht.
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