Mindestens 100 Milliarden Planeten?
von Stefan Deiters astronews.com
4. Januar 2013
In unserer Milchstraße sollte es 100 Milliarden Planeten
geben - mindestens. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie amerikanischer
Astronomen, die das Planetensystem Kepler-32 genauer analysiert haben. Nach
ihrer Ansicht lassen sich daraus zahlreiche Schlüsse auf die Anzahl der Planeten
der Milchstraße und auf ihre Entstehung ziehen.
Astronomen
vermuten allein in unserer Galaxie mehr als 100
Milliarden Planeten.
Bild: NASA / JPL-Caltech |
"Es gibt mindestens 100 Milliarden Planeten in der Galaxie - und dies nur in
unserer", fasst John Johnson vom California Institute of Technology (Caltech)
die Ergebnisse einer Studie zusammen, an der er maßgeblich beteiligt war und die
in der Fachzeitschrift Astrophysical Journal erscheinen wird. "Das ist
schon irre." Und sein Kollege Jonathan Swift ergänzt: "Das ist eine beachtliche
Zahl, wenn man genauer darüber nachdenkt. Es bedeutet im Prinzip, dass es um
jeden Stern im Schnitt einen Planeten gibt."
Für ihre Untersuchung hatten sich die Wissenschaftler detailliert mit dem
Stern Kepler-32 beschäftigt, um den mit dem Weltraumteleskop Kepler
insgesamt fünf Planeten entdeckt wurden - zwei davon waren zuvor bereits durch
anderen Beobachtungen bestätigt worden, das Caltech-Team konnte auch
die Existenz der übrigen drei Welten verifizieren. Anschließend verglichen sie
die Eigenschaften des Systems mit denen anderer Planetensystem, die im Rahmen
der Kepler-Mission entdeckt worden waren.
Kepler-32 ist ein M-Zwerg und zählt damit zu einem Sternentyp, zu dem
knapp drei Viertel aller Sterne der Milchstraße gehören. Die fünf Planeten des
Systems haben eine ähnliche Größe wie die Erde, umrunden ihre Sonne jedoch in
deutlich geringerem Abstand. Dies sei, so Swift, offenbar durchaus üblich bei
M-Zwergen. Die meisten Planeten in unserer Galaxie könnten somit ganz ähnliche
Eigenschaften aufweisen wie die Planeten um Kepler-32.
Das Besondere an Kepler-32 ist, dass die Bahnebene aller fünf Planeten - von
der Erde aus betrachtet - genau so ausgerichtet ist, dass wir beobachten
können, wie die Planeten vor ihrer Sonne vorüberziehen, ihren Stern dadurch also
verdunkeln. Mit diesem als Transitmethode bezeichneten Verfahren, sucht die
Kepler-Mission nach Planeten um andere Sterne.
Aus den geringfügigen bei Kepler-32 beobachteten Helligkeitsschwankungen
haben die Forscher nun Rückschlüsse auf Größe und Bahnperiode der Planeten
ziehen können. Und da es in der Milchstraße sehr viele solcher Systeme geben
dürfte, sollte sich, so die Überzeugung der Astronomen, durch das Studium von
Kepler-32 auch eine ganze Menge über die Entstehung von Planetensystemen im
Allgemeinen lernen lassen.
"Normalerweise bin ich sehr vorsichtig damit, Dinge als 'Rosettastein' zu
bezeichnen", so Johnson. "Aber dies kommt dem Rosettastein näher als alles, was
ich zuvor gesehen habe. Es ist wie der Schlüssel zu einer Sprache, die wir
verstehen wollen - die Sprache der Entstehung von Planeten." Der Rosettastein,
der sich heute im Britischen Museum in London befindet, spielte eine wichtige
Rolle bei der Übersetzung der ägyptischen Hieroglyphen.
Eine der wohl spannendsten Fragen der Astronomie ist, wie viele Planeten es
überhaupt gibt. Schon zuvor hatte man versucht, die Gesamtzahl der Welten
ungefähr abzuschätzen und war auf Zahlen in der Größenordnung von einem Planeten
pro Stern gekommen (astronews.com berichtete). Die
Caltech-Astronomen haben sich dieser Frage nun erneut mithilfe der
Planetensysteme um M-Zwerge angenommen.
Dazu betrachteten sie die Wahrscheinlichkeit, dass ein M-Zwerg-System gerade
die Orientierung wie Kepler-32 hat und rechneten diese Anzahl auf die Gesamtzahl
der Planeten in der Milchstraße hoch. Sie kamen so auf ungefähr einen Planeten
um jeden der rund 100 Milliarden Sterne in unserer Galaxie. Da diese Abschätzung
jedoch nur Planeten auf engen Bahnen und um M-Zwerge berücksichtigt, dürfte die
Zahl eher eine untere Grenze darstellen. Swift hält sogar einen Schnitt von zwei
Planeten pro Stern für möglich.
Planetensysteme wie das um Kepler-32 unterscheiden sich deutlich von unserem
Sonnensystem: So sind M-Zwerge kälter und kleiner als die Sonne und die fünf
Planeten umrunden ihren Zentralstern in einem erheblich geringerem Abstand als
die Planeten unseres Sonnensystems. So würde das System um Kepler-32 locker
innerhalb der Merkurbahn Platz finden.
Da die Mehrzahl der Sterne in unserer Milchstraße M-Zwerge sind, könnten
Systeme wie Kepler-32 jedoch eher die Regel als die Ausnahme sein. Eine
faszinierende Schlussfolgerung lautet somit: Systeme wie unser Sonnensystem sind
äußerst selten - "es ist einfach nur ein skurriler Sonderfall", so Johnson.
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