Ein Flusssystem wie der Nil
von Stefan Deiters astronews.com
17. Dezember 2012
Astronomen haben auf dem Saturnmond Titan ein Flusssystem
entdeckt, das verblüffend an den Nil erinnert. Der außerirdische Flusslauf
erstreckt sich über 400 Kilometer von seinem Oberlauf bis zur Mündung in einem großen See.
Es ist das erste Mal, dass man auf einem anderem Körper des Sonnensystems ein
Flusssystem dieser Größe aufgespürt hat. Die Entdeckung gelang mithilfe der
Sonde Cassini.

Der Fluss in der
Nordpolarregion von Titan.
Bild: NASA/JPL-Caltech/ASI
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Der Saturnmond Titan gehört mit zu den faszinierendsten Objekten im
Sonnensystem, verfügt der Trabant doch unter seiner dichten Atmosphäre über einen
dem irdischen Wasserkreislauf vergleichbaren Flüssigkeitskreislauf, der auf flüssigen Kohlenwasserstoffen wie Methan und Ethan beruht. Auf
Radaraufnahmen der Saturnsonde Cassini waren in den letzten Jahren immer wieder
Hinweise auf Seen und Veränderungen auf der Oberfläche zu entdecken, die auf
Niederschläge hindeuten (astronews.com berichtete
wiederholt).
Jetzt haben Astronomen auf Cassini-Bildern ein Flusssystem entdeckt, das
verblüffend einer Miniaturausgabe des irdischen Nils gleicht. Es erstreckt sich
über rund 400 Kilometer und mündet in einen großen See. Der Flusslauf befindet
sich in der Nordpolarregion des Mondes.
Da der
"Mini-Nil" auf den Radarbildern über seine gesamte Länge dunkel erscheint,
vermuten die Wissenschaftler, dass das Flussbett eine glatte Oberfläche besitzt
und deshalb tatsächlich mit flüssigen Kohlenwasserstoffen gefüllt ist. "Trotz
einiger kürzerer, lokaler Flussarme deutet die Gradlinigkeit des Flusssystems
darauf hin, dass der Fluss mindestens einer Bruchlinie folgt, ganz ähnlich wie andere große
Flüsse, die am südlichen Rand in diesen Titansee münden", so Jani Radebaugh
von der Brigham Young University in Provo im US-Bundesstaat Utah, die
zum Radarteam von Cassini gehört. "Solche Brüche im Gestein
von Titan müssen
nicht, wie auf der Erde, auf Plattentektonik hindeuten, aber lassen doch Becken
entstehen und führen eventuell auch zur Bildung der großen Seen."
Das in der vergangenen Woche vorgestellte Bild entstand am 26. September 2012
während eines Vorüberflugs von Cassini an dem Saturntrabanten. Der Fluss in der
Nordpolarregion von Titan mündet in einen Kraken Mare genannten See, dessen
Größe etwa zwischen der des Kaspischen Meeres und des Mittelmeeres auf der Erde
liegt. Der Nil auf der Erde hat eine Länge von 6.700 Kilometern.
"Titan ist der einzige Ort im Sonnensystem außer der Erde, auf dem es eine
ständige Bewegung von Flüssigkeiten auf der Oberfläche gibt", erklärt Steve Wall
vom Jet Propulsion Laboratory der NASA. "Dieses Bild liefert uns einen Schnappschuss
von einer Welt, die sich ständig verändert. Regen fällt, Flüsse transportieren
den Niederschlag zu Seen und größeren Meeren, wo eine Verdunstung einsetzt und
der Kreislauf neu beginnen kann. Auf der Erde ist diese Flüssigkeit Wasser, auf
Titan ist es Methan, aber auf beiden beeinflusst dieser Prozess fast alles was passiert."
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