Wie weite Doppelsterne entstehen
von Stefan Deiters astronews.com
11. Dezember 2012
In manchen Doppelsternsystemen sind die Partner bis zu einem
Lichtjahr voneinander entfernt. Wie solche Systeme entstehen, ist den Astronomen
allerdings noch nicht wirklich klar. Computersimulationen zeigen nun aber eine
Möglichkeit, wie sich weite Doppelsterne bilden könnten - und dies mit überaus
interessanten Konsequenzen.

Astronomen könnten jetzt eine Erklärung für
die Entstehung von weiten Doppelsternsystemen
gefunden haben. Bild:
Karen Teramura (UH Institute for Astronomy) /
Wei-Hao Wang (Hintergrund). |
Unsere Sonne ist ein Einzelstern und damit, so haben die Astronomen
inzwischen gelernt, in unserer Milchstraße eher die Ausnahme als die Regel. Bei
den meisten Sternen handelt es sich um Doppelsternsysteme, also um zwei Sonnen,
die einander in einem bestimmten Abstand umkreisen. In manchen Systemen ist der
Abstand so gering, dass es sogar zu einem Übertrag von Masse zwischen den beiden
Sternen kommen kann, andere Doppelsternpartner sind hingegen bis zu einem
Lichtjahr voneinander entfernt.
Wie diese sehr weiten Doppelsterne entstehen können, ist den Wissenschaftlern
bislang nicht vollständig klar: Die typischen Kerne von Wolken, aus denen sich
Sterne bilden, scheinen nämlich nicht groß genug zu sein, um die Geburt so weit
voneinander entfernter Sterne erklären zu können.
Um etwas Licht in die Entstehung von weiten Doppelsternen zu bringen, haben
Dr. Bo Reipurth vom Institute for Astronomy der Univerisity of
Hawaii und Dr. Seppo Mikkola vom Tuorla Observatorium der Universität im
finnischen Turku nun mit Computersimulationen die Entwicklung von
Mehrfachsystemen untersucht. Sie stießen dabei auf einen Mechanismus, der die
Entstehung von weiten Doppelsternsystemen erklären könnte und zudem noch eine
interessante Schlussfolgerung erlaubt.
Die meisten Sterne entstehen in kleinen kompakten Mehrfachsystemen aus zwei,
drei oder mehr Sternen im dichten Zentrum einer Gaswolke. Sobald mehr als zwei
Sterne entstanden sind, kommt es zu einem chaotischen Tanz der einzelnen Sonnen
umeinander. Durch das gravitative Wechselspiel wird der leichteste Stern oft in
die äußeren Regionen der Wolke katapultiert und kommt auf seiner langen Bahn
dann erst nach beträchtlicher Zeit wieder ins Zentrum zurück.
Die im Zentrum verbliebenen Sterne wachsen durch das dort noch vorhandene
Material weiter. Irgendwann kann es dann passieren, dass der "Junior" des
Systems im Zentrum einen so starken Kick erhält, dass er für immer aus dem
System geschleudert wird. In den Fällen, in denen dieser Kick nicht groß genug
war, kann er nicht ganz entkommen und umkreist seinen Geburtsort stattdessen auf
einer weiten Bahn.
Dieses Simulationsergebnis bedeutet, dass es sich bei weiten
Doppelsternsystemen also eigentlich um Dreifachsysteme handeln sollte. Und in
der Tat hat man bei Beobachtungen oft festgestellt, dass einer der beiden
Partner in weiten Doppelsternsystemen in Wirklichkeit selbst ein enges
Doppelsternsystem ist. Doch wie entstehen dann die weiten Doppelsternsysteme,
bei denen man tatsächlich keinen dritten Stern entdecken konnte? Entweder gibt
es noch einen zweiten Entstehungsmechanismus oder irgendetwas ist mit einem der
beiden Sterne passiert, die zuvor noch Partner in dem engen Doppelsternsystem
waren.
"Was passiert sein könnte ist, dass die Sterne des engen Doppelsternsystems
zu einem einzelnen größeren Stern verschmolzen sind", vermutet Reipurth. "Dazu
kann es kommen, wenn sich im Zentrum der Wolke noch ausreichend Gas befindet,
das die Bewegung der Sterne bremst. Sie verlieren dann ständig Energie und
spiralen aufeinander zu. Manchmal gibt es so viel Gas im Zentrum, dass die
Sterne sogar miteinander kollidieren und in einer spektakulären Explosion
verschmelzen."
Das nächstgelegene Dreifachsystem mit einem engen Doppelstern liegt
unmittelbar vor unserer Haustür: Bei Alpha Centauri, dem sonnennächsten Stern,
handelt es sich um einen engen Doppelstern. Das System wird zudem noch in einem
Abstand von etwa einem Viertel Lichtjahr von Proxima Centauri umkreist. Vor
einigen Milliarden Jahre dürften alle drei Sterne in unmittelbarer Nähe
zueinander geboren worden sein, bis Proxima Centauri dann durch irgendein
Ereignis in einen weiten Orbit gekickt wurde, auf dem der Stern noch heute
kreist.
Die Astronomen berichten über die
Resultate ihrer Untersuchung in einem Artikel in der
Fachzeitschrift Nature.
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