Wenn die Erde verdampfen würde
von Stefan Deiters astronews.com
6. August 2012
Amerikanische Astronomen haben sich mit einer auf den ersten
Blick ungewöhnlichen Fragestellung beschäftigt: Was würde man eigentlich
beobachten können, wenn die Erdoberfläche verdampfen würde? Die Wissenschaftler
hoffen dadurch mehr über die Zusammensetzung von extrasolaren Super-Erden zu
erfahren, die in recht geringem Abstand um ihren Zentralstern kreisen.
Durch das "Verdampfen" der Erde im Computer
wollen Astronomen mehr über heiße Super-Erden wie CoRoT-7b
erfahren.
Bild: ESO/L. Calcada |
"Wir Wissenschaftler sind nicht damit zufrieden, einfach nur über das
Verdampfen der Erde zu reden", so Bruce Fegley, Professor für Erd- und
Planetenwissenschaften an der Washington University in St. Louis. "Wir
wollen genau verstehen, wie es wäre, wenn das passiert." Dazu hat Fegley
zusammen mit seiner Kollegin Katharina Lodders und der Doktorandin Laura
Schaefer dieses Szenario am Computer nachgestellt - ein Szenario, das man sonst
eigentlich nur aus Science-Fiction-Geschichten und nicht aus der seriösen
Wissenschaft kennt.
Das Projekt hat allerdings einen durchaus ernsten Hintergrund: Die
Wissenschaftler wollen nämlich versuchen, durch ihre Simulationen einen Weg zu
finden, wie man mithilfe von Informationen über die atmosphärische
Zusammensetzung eines Planeten auf dessen Beschaffenheit im Inneren schließen
kann. Dies ist etwa im Fall von sogenannten Super-Erden interessant. Dabei
handelt es sich um Planeten, deren Masse die der Erde zwar deutlich übersteigt,
die aber trotzdem masseärmer als der Gasplanet Neptun sind und vermutlich
hauptsächlich aus Gestein bestehen.
Um andere Sonnen hat man inzwischen schon zahlreiche Super-Erden entdeckt (astronews.com
berichtete wiederholt). Viele dieser Planeten allerdings umkreisen ihre Sonne in
einem recht geringen Abstand, so dass die Temperaturen auf der Oberfläche so
groß sein dürften, dass die Kruste geschmolzen und das Gestein teilweise sogar
verdampft ist. Der Begriff Super-Erde ist übrigens lediglich ein Hinweis auf die
Masse des extrasolaren Planeten und sagt nichts über seine Erdähnlichkeit oder
gar seine Bewohnbarkeit aus.
Bei einigen Super-Erden konnten Astronomen sogar die mittlere Dichte
bestimmen. Bei Gesteinsplaneten lässt sich daraus aber nur sehr ungenau die
innere Zusammensetzung ableiten, da man die verschiedenen Komponenten, aus denen
solche Planeten bestehen können, auf ganz unterschiedliche Weise zusammenmischen
kann und trotzdem immer die gleiche mittlere Dichte erhält.
Genau hier kommt nun die Atmosphäre ins Spiel: Lässt sich bei einer
Super-Erde bei einem Transit - also beim Vorüberziehen des Planeten vor seiner
Sonne - ein Spektrum der Planetenatmosphäre aufnehmen, kann man die
Zusammensetzung der Atmosphäre bestimmen. Diese könnte nun Rückschlüsse auf die
Zusammensetzung des Inneren des Planeten erlauben.
"Wir haben die Atmosphären von heißen Super-Erden modelliert, weil es genau
das ist, was Astronomen beobachten", so Fegley. "Uns hat interessiert, nach was
genau sie Ausschau halten müssen, um aus der Atmosphäre etwas über den Aufbau
des Planeten zu lernen."
Die Forscher haben für ihre Studie zwei erdähnliche Modelle betrachtet, deren
Zusammensetzung in einem Fall der der kontinentalen Kruste entsprach und im
anderen Fall der der jungen Erde, bevor sich eine kontinentale Kruste
ausgebildet hatte. Der Hauptunterschied zwischen den beiden Modellen ist das
Wasser, das für die Entstehung von Granit benötigt wird, das die kontinentale
Kruste dominiert.
Die Oberflächentemperatur der Modellerden wählten die Forscher im Bereich
zwischen 270 und 1.700 Grad Celsius und errechneten, welche Elemente und
Verbindungen bei bestimmten Temperaturen jeweils in gasförmigen Zustand
übergehen oder aus dem Gestein ausgasen würden. Mit zunehmender Temperatur, so
Fegley, finden sich schließlich alle Bestandteile des Gesteins als Gas in der
Atmosphäre wieder.
Die Atmosphären beider Modellerden wären in einem sehr großen
Temperaturbereich von Wasserdampf und Kohlendioxid dominiert, wobei sich bei
einem der beiden Modelle bei Temperaturen unter 730 Grad Celsius Methan und
Ammoniak in der Atmosphäre finden lässt. Dies sei, so Fegley, interessant, weil
sich diese Stoffe durch Blitzentladungen zu Aminosäuren zusammentun könnten -
einem Grundbaustein des Lebens auf der Erde.
Bei Temperaturen über 730 Grad Celsius würde dann Schwefeldioxid hinzukommen.
"Dann sähe die Atmosphäre des Exoplaneten aus wie die der Venus, nur mit Dampf",
vergleicht Fegley. Steigen die Temperaturen auf über 1.430 Grad Celsius lässt
sich schließlich Siliziummonoxid aus heißem Gestein als Gas in der Atmosphäre
finden. Dieses könnte unter bestimmten Umständen wieder kondensieren, so dass
auf den fernen Welten Regenschauer aus Kieselsteinen möglich wären.
Spaßeshalber haben die Wissenschaftler die Temperatur auch einmal so hoch
gewählt, dass die gesamte Modellerde - und nicht nur die Kruste - verdampft ist.
Das Ergebnis war ein Ball aus dampfendem Gas mit Kieselsteinen und Tropfen aus
flüssigem Eisen. "Wir haben das aber nicht in den Fachartikel aufgenommen", so
Fegley. "Die Exoplaneten, die Astronomen beobachten, sind nämlich nur teilweise
verdampft." Die Forscher berichten über ihre Studie in der Zeitschrift The
Astrophysical Journal.
|