Das turbulente Leben der Riesensonnen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bonn astronews.com
27. Juli 2012
Bei den massereichsten Sternen im Universum handelt es sich offenbar in
weitaus weniger Fällen um Einzelgänger als bislang angenommen. Eine
Auswertung von Beobachtungen mit Teleskopen der europäischen
Südsternwarte ESO ergab nun, dass viele massereiche Sonnen Teil eines
engen Doppelsternsystems sind. Und dies kann für die Sterne dramatische
Konsequenzen haben.

So könnte ein enges Doppelsternsystem
aussehen, bei dem Masse von einem Partner zum
anderen übertragen wird.
Bild: ESO /M. Kornmesser /S. E. de Mink |
"Diese Sterne sind absolute Giganten", erläutert Hugues Sana von der
Universität in Amsterdam, der Erstautor eines Fachartikel über die
Untersuchung, der jetzt in der Zeitschrift Science erschienen
ist. "Sie sind 15-mal massereicher als unsere Sonne oder mehr und können
bis zu eine Million Mal heller sein. Diese Sterne sind so heiß, dass sie
bläulich-weiß leuchten und haben Oberflächentemperaturen von über 30.000
Grad Celsius." Astronomen bezeichnen solche Sterne als O-Sterne. Für ihr
Studie haben die Forscher 71 davon in sechs nahegelegenen Sternhaufen
der Milchstraße untersucht. Die meisten Beobachtungen wurden dabei mit
Teleskopen der europäischen Südsternwarte ESO gemacht.
Bei der Untersuchung stellten die Astronomen fest, dass - anders als erwartet
- die massereichsten Sterne ihr Leben meist nicht als "Singles" verbringen,
sondern als Teil eines Doppelsternsystems. Mehr als zwei Drittel, so das
Ergebnis der Untersuchung, umkreisen einen Partnerstern. "Die Bahnen, auf denen
sich die Sterne umkreisen, verlaufen sehr eng, so dass die Gemeinschaft dieser
Sterne turbulent und bei weitem nicht so ruhig wie bisher angenommen verläuft",
erklärt Professor Norbert Langer von der Bonner Universität, der auch an der
Studie beteiligt war. So kann ein Stern seinem Begleiter wie ein Vampir Materie
absaugen oder beide Sterne können zu einem noch größeren Sternkoloss
verschmelzen.
"Die neuen spektakulären Forschungsergebnisse konnten nur auf Grund einer der
umfangreichsten Beobachtungskampagnen auf diesem Gebiet erzielt werden", so
Professor Robert Izzard von der Universität Bonn. Durch diese detaillierten
Beobachtungen gelang es den Forschern die Bahnen von über drei Vierteln der
entdeckten Doppelsterne zu bestimmen. So wurde deutlich, dass im Laufe der Zeit
ungefähr ein Drittel dieser Sternsysteme mit ihrem Begleiter verschmelzen
werden, während die anderen zwei Drittel Materie an ihren Partner übertragen.
Zwar machen massereiche Sterne wie die untersuchten O-Sterne nur einen
äußerst geringen Teil der gesamten Sternenpopulation einer Galaxie aus, spielen
aber trotzdem eine wichtige Rolle bei ihrer Entwicklung. Das nukleare Leben
dieser stellaren Riesen ist äußerst kurz und endet mit einer spektakulären
Supernova-Explosionen oder gar mit einem Gammastrahlenausbuch. Dabei erzeugen
sie einen großen Teil der schweren Elemente der Galaxie, die dann wiederum in
eine neue Generation von Sternen eingebaut werden.
"Die neuen Einblicke in das Leben der Sternschwergewichte haben direkte
Auswirkungen auf das Verständnis der Endstadien der massereichsten Sterne",
meint Professor Langer. Wegen der gewaltigen Explosionen am Ende des
Sternenlebens können diese nahezu im ganzen Universum beobachtet werden.
"Die einzigen Informationen, die einem Astronomen über eine entfernte Galaxie
zur Verfügung stehen, ergeben sich aus dem Licht, das unsere Teleskope erreicht.
Ohne Annahmen darüber, was für dieses Licht verantwortlich ist, können wir keine
Schlussfolgerungen etwa über die Masse oder das Alter der Galaxie ziehen", so
Sana. "Diese Studie zeigt, dass die verbreitete Annahme, dass es sich bei den
meisten Sternen um Singles handelt, zu falschen Schlussfolgerungen führen kann."
|