Technologieerprobung im Erdorbit
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. astronews.com
23. Juli 2012
Am Sonntagmorgen ist der erste deutsche Kleinsatellit des
OOV-Programms an Bord einer russischen Sojus-Rakete vom Weltraumbahnhof
in Baikonur aus in eine Erdumlaufbahn gestartet. An Bord von TET-1 sollen sich
elf Experimente ein Jahr lang unter realen Weltraumbedingungen bewähren und
damit für einen Einsatz in der Raumfahrt qualifizieren.
Der
Kleinsatellit TET-1 wird ein Jahr lang elf
Nutzlasten auf ihre Funktionsfähigkeit im Weltall
verifizieren.
Bild: DLR / Astro- und Feinwerktechnik
Adlershof GmbH |
Am 22. Juli 2012 ist um 8.41:39 Uhr MESZ, entsprechend 12.41:39
Uhr Ortszeit, der erste deutsche Kleinsatellit des OOV-Programms an Bord einer
russischen Sojus-Rakete vom Weltraumbahnhof in Baikonur gestartet:
TET-1 ist ein Technologieerprobungsträger mit elf Experimenten an Bord, die sich
ein Jahr lang unter realen Weltraumbedingungen bewähren müssen. Denn im Weltraum
gelten andere Bedingungen als auf der Erde: Große Temperaturunterschiede,
Schwerelosigkeit und Weltraumstrahlung. Bauteile von Satelliten, der
Internationalen Raumstation ISS und anderen Systemen müssen diesen Einflüssen
standhalten und zuverlässig funktionieren.
Im Rahmen seines "On-Orbit-Verification" (OOV)-Programms testet das Deutsche
Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Weltraumtechnologien direkt im All. "Die
im Weltraum eingesetzten Technologien müssen zuverlässig funktionieren. Sonst
ist Anwendern das Risiko eines Raumfahrt-Einsatzes zu hoch. Die Verifikation der
Weltraumtauglichkeit, bedingt durch die dort herrschenden Umwelteinflüsse, ist
deshalb unablässig", schildert der DLR-Vorstandsvorsitzende Prof.
Johann-Dietrich Wörner den Hintergrund für das OOV-Programm, dessen Kernelement
die TET-Satelliten sind.
"Mit dem erfolgreichen Flug des TET-1-Sateliten ermöglichen wir den
beteiligten Unternehmen, ihre Nutzlasten für den Einsatz im Weltraum direkt zu
qualifizieren", erläuterte Wörner anlässlich des TET-1-Starts. Bislang konnten
neue Technologien nur auf der Erde getestet werden. Weltraumeinflüsse sind
vielfältig: So kann zum Beispiel energiereiche Partikelstrahlung zur Zerstörung
der Bordelektronik eines Satelliten führen, was dann die Übertragung von
Fernseh- oder Mobilfunk-Signalen aus dem All unterbricht.
TET-1 ist 120 Kilogramm leicht und hat Platz für 50 Kilogramm schwere
Nutzlasten. Das DLR Raumfahrtmanagement hat das Raumfahrtunternehmen Kayser-Threde
GmbH als Hauptauftragnehmer mit der Entwicklung des Satelliten beauftragt. Zu
den elf Experimenten, die das DLR für die erste Mission ausgewählt hat, zählen
unter anderem Solarzellen, Navigationsgeräte, eine Weltraumkamera, mit der
Waldbrände detektiert werden können, Kommunikations- und
Satelliten-Antriebssysteme sowie Computer-Hardware. TET-1 wird ein Jahr lang in
einer niedrigen Erdumlaufbahn (Low Earth Orbit, LEO) in 520 Kilometern Höhe
operieren. Danach wird er langsam wieder in die Erdatmosphäre eintreten und
verglühen.
"Mit dem OOV-Programm schlagen wir eine Brücke von der Erprobung am Boden zur
Nutzung im Weltraum", verdeutlicht Christoph Hohage, Programmdirektor Raumfahrt
im DLR Raumfahrtmanagement. "Wir wollen der Raumfahrtindustrie, aber auch
Forschungseinrichtungen, dabei regelmäßig zuverlässige, sichere und kurzfristig
einsetzbare Mitfluggelegenheiten anbieten und so die Nutzung von bislang nicht
weltraumqualifizierten Technologien in zukünftigen Raumfahrtprojekten
erleichtern." Das "Gestell" des kühlschrankgroßen Kleinsatelliten, der so
genannte Satellitenbus, basiert auf dem 2001 gestarteten
DLR-Forschungssatelliten BIRD (Bi-Spectral Infrared Detection).
"TET-1 ist im Vergleich zu BIRD jedoch leistungsfähiger", erklärt Michael
Turk, TET-Projektleiter im DLR-Raumfahrtmanagement. "TET-1 bietet mehr Volumen
und mehr Platz für Nutzlasten." Gebaut wurde der Satellitenbus von der Astro-
und Feinwerktechnik Adlershof GmbH. An der Entwicklung beteiligt waren auch die
DLR-Institute für Robotik und Mechatronik und für Raumfahrtsysteme. Das Deutsche
Raumfahrtkontrollzentrum beim DLR in Oberpfaffenhofen (German Space
Operation Center, GSOC) ist für den Missionsbetrieb von TET-1
verantwortlich, das russische Raumfahrtunternehmen Lavoshkin für den Start des
Satelliten.
Nach seinem erfolgreichen Start am 22. Juli 2012 hatte TET-1 um 10.24 Uhr
MESZ seinen ersten Funkkontakt mit der Bodenstation in Spitzbergen. "Jetzt kann
unsere Arbeit beginnen", freute sich GSOC-Direktor Prof. Felix Huber. Per
Telekommando werden die elf verschiedenen Experimente während der kommenden
zwölf Monate eingeschaltet. Die Daten der Nutzlasten werden von der Bodenstation
des Deutschen Fernerkundungsdatenzentrums (DFD) im DLR in Neustrelitz empfangen
und von dort an die Experimentatoren zur Auswertung weitergegeben.
Die Daten der vom DLR entwickelten Infrarotkamera an Bord von TET-1 werden
beim DFD zu Informationsprodukten weiterverarbeitet und für Forschung in den
Bereichen Klima und Sicherheit eingesetzt. Die deutsche Satellitenmission TET-1
ist mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie realisiert
worden. Für Entwicklung und Bau des Satelliten sind rund 27 Millionen Euro, für
den Missionsbetrieb zwei Millionen Euro investiert worden.
|