Entfernteste Spiralgalaxie entdeckt
von Stefan Deiters astronews.com
20. Juli 2012
Mithilfe des Weltraumteleskops Hubble ist es
Astronomen gelungen, erstmals eine Spiralgalaxie im jungen Universum
aufzuspüren. Das System, das bereits eine ausgeprägte Spiralstruktur aufweist,
existierte schon rund drei Milliarden Jahre nach dem Urknall. Eigentlich sollte
es so eindrucksvolle Spiralgalaxien erst wesentlich später in der Geschichte des
Universum geben.
Falschfarbenaufnahme der Galaxie Q2343-BX442
basierend auf Daten des Weltraumteleskops Hubble
und des Keck-Teleskops.
Bild: David Law / Dunlap Institute for
Astronomy & Astrophysics |
Der bemerkenswerte Fund gelang den Astronomen während sie mit dem
Weltraumteleskop Hubble rund 300 entfernte Galaxien untersuchten, die
wir - aufgrund ihrer Entfernung - zu einer Zeit sehen, als das Universum noch
vergleichsweise jung war. Auch die dabei entdeckte Spiralgalaxie existierte
offenbar bereits drei Milliarden Jahre nach dem Urknall. Ihr Licht war 10,7
Milliarden Jahre zu uns unterwegs.
"Wenn man immer weiter in der Zeit zurückgeht bis ins frühe Universum, sehen
die Galaxien immer merkwürdiger und irregulärer aus und nicht mehr symmetrisch",
erläutert Alice Shapley von der University of California in Los Angeles
die Bedeutung des Fundes. "Die große Mehrheit von alten Galaxien sieht wie das
Ergebnis einer Karambolage aus. Unser erster Gedanke war daher: Warum ist diese
so anders und so schön?"
Im frühen Universum gab es eine große Vielfalt von Galaxienformen.
Insbesondere war der Anteil an irregulären Galaxien deutlich höher als heute, wo
sich viele Galaxien entweder als elliptische Galaxien oder als Spiralgalaxien
klassifizieren lassen. "Die Tatsache, dass diese Galaxie existiert, ist schon
erstaunlich", meint auch David Law von der University of Toronto, der
auch Erstautor eines Fachartikels über die Beobachtung ist, der in dieser Woche
in der Zeitschrift Nature veröffentlicht wurde. "Nach unseren
Erkenntnissen sollten es solche 'Grand-Design'-Spiralgalaxien ganz einfach nicht
so früh in der Geschichte des Universums gegeben haben." Als
"Grand-Design"-Galaxie bezeichnen Astronomen eine Spiralgalaxie, die über
besonders ausgeprägte und deutlich sichtbare Spiralarme verfügt.
Die neu entdeckte Galaxie, die den Namen Q2343-BX442 oder kurz BX442
trägt, ist vergleichsweise massereich. Nur rund 30 andere der von Law und
Shapley untersuchten Galaxien hatten eine ähnlich große Masse. Mit Hilfe des
Keck-Teleskops auf Hawaii haben die Astronomen dann versucht, mehr über die
eigentümliche Galaxie herauszufinden. Sie untersuchten die Spektren von 3.600
verschiedenen Bereichen in und um BX442 und konnten so nachweisen, dass es sich
bei der Galaxie tatsächlich um eine rotierende Spiralgalaxie handelt und nicht
etwa um zwei verschiedene Galaxien, die nur zufällig hintereinander liegen.
"Wir dachten zuerst, dass alles nur eine Illusion ist und wir vom
Erscheinungsbild einfach nur getäuscht worden sind", so Shapley. "Als wir aber
die Spektren von der Galaxie aufgenommen hatten, war klar, dass die Spiralarme
zur Galaxie gehören. Es war keine Täuschung. Wir waren ganz schön überrascht."
Die Astronomen glauben auch Hinweise auf ein supermassereiches Schwarzes Loch im
Zentrum von BX442 entdeckt zu haben, das eine Rolle bei der Entwicklung der
Galaxie spielen könnte.
Doch warum sieht die Galaxie unseren heutigen Galaxien so ähnlich und nicht
so aus, wie die anderen Systeme in ihrer Zeit? Law und Shapley glauben, dass
dies etwas mit einer kleinen Zwerggalaxie zu tun haben könnte, die sie mit Hilfe
der spektroskopischen Untersuchungen identifizieren konnten. Auf dem Bild
erscheint sie nur als kleiner Fleck links oben von der Galaxie. Die
Wechselwirkung zwischen dieser kleinen Satellitengalaxie und BX442 könnte die
für ihre Zeit ungewöhnliche Form des Systems erklären. Darauf deuten auch
entsprechende Computersimulationen hin. Irgendwann einmal, so Shapley, wird die
Zwerggalaxie vermutlich mit BX442 verschmelzen.
"BX442 sieht wie eine Galaxie in unserer Umgebung aus. Im frühen Universum
aber, kam es viel häufiger zu Kollisionen", erzählt Shapley. "Gas strömte aus
dem intergalaktischen Medium in die Galaxien und sorgte für die Entstehung von
Sternen mit einer deutlich höheren Rate als heute. Auch die Schwarzen Löcher
wuchsen schneller. Im Vergleich dazu ist das Universum heute relativ
langweilig."
Die Astronomen planen weitere Untersuchungen von BX442. "Wir wollen die
Galaxie auch in anderen Wellenlängen beobachten", so Shapley. "Das sollte uns
etwas über die Arten von Sternen in verschiedenen Bereichen der Galaxie
verraten. Außerdem wollen wir die Verteilung der Sterne und des Gases in BX442
kartieren." BX442, so die Wissenschaftlerin, würde eine Verbindung zwischen den
turbulenteren Galaxien im frühen Universum und den rotierenden Spiralgalaxien
herstellen, die wir heute beobachten.
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