Schwarze Löcher wuchsen meist langsam
von Stefan Deiters astronews.com
16. Juli 2012
Schwarzen Löcher im jungen Universum mussten keine Unmengen
an Material verschlingen, um zu wachsen und als heller Quasar zu leuchten. Ihnen
reichten offenbar kleinere Mahlzeiten. Dies ergaben kürzlich vorgestellte
Beobachtungen von 30 entfernten Galaxien, in denen sich aktive Schwarze Löcher
verbergen.
Vier der von Hubble untersuchten Galaxien.
Staub verhindert, dass sie als helle Quasare
erscheinen. Nur die Galaxie oben links zeigt
Hinweise auf eine Kollision. Hier sind vermutlich
noch die Kerne von zwei Galaxien zu erkennen.
Bild: NASA, ESA und K. Schawinski (Yale
University) [Großansicht] |
Quasare zählen zu den leuchtkräftigsten Objekten im Universum und sind noch
in einer Entfernung von vielen Milliarden Lichtjahren auszumachen. Nach Ansicht
von Astronomen handelt es sich bei ihnen um die Zentren aktiver Galaxien. In
diesen Systemen befindet sich also ein supermassereiches Schwarzes Loch, das
gerade Material aus seiner Umgebung verschlingt. Bevor dieses jedoch in der
Schwerkraftfalle verschwindet, heizt es sich auf viele Millionen Grad auf und
sendet so eine intensive Strahlung aus, die auch noch über große Distanzen zu
sehen ist.
Die hellsten Quasare scheinen sich in Galaxien zu befinden, die gerade eine
Kollision hinter sich haben. Bei diesen kosmischen Zusammenstößen können nämlich
große Mengen an Gas und Staub in Richtung des zentralen Schwarzen Lochs gelenkt
werden, das diese dann gierig verschlingt. Es scheint aber, so legt eine
kürzlich vorgestellte Studie nahe, auch eine ganze Reihe von weniger
leuchtkräftigen Quasaren zu geben, die sich in den Zentren von ganz normalen
Spiralgalaxien befinden, die in keinerlei Kollision verwickelt waren.
Ein Astronomenteam hatte mit Hilfe der Weltraumteleskope Hubble und
Spitzer 30 Galaxien unter die Lupe genommen, in deren Zentren sich
Quasare befinden. Das Interesse galt dabei dem Aussehen der Systeme. Die
Wissenschaftler stellten bei ihrer Untersuchung fest, dass es bei den meisten
der untersuchten Galaxien keinerlei Hinweise darauf gibt, dass sie zuvor in eine
Kollision verwickelt waren. Eine solche Kollision hätte sich nämlich durch eine
ungewöhnliche, deutlich gestörte Form der Galaxie verraten müssen.
Die Galaxien der Studie sind so weit entfernt, dass wir sie zu einer Zeit
sehen, die zwischen acht und zwölf Milliarden Jahre zurückliegt. In dieser
Epoche des Universums dürfte das Wachstum von Schwarzen Löchern in den
Galaxienzentren besonders groß gewesen sein. Nach Ansicht der Wissenschaftler
sollten damals die meisten Schwarzen Löcher nicht durch kurzzeitige, heftige
Ereignisse, wie Kollisionen, gewachsen sein, sondern vor allem durch kleinere
Wachstumsphasen über einen deutlich längeren Zeitraum.
"Quasare, die durch Galaxienkollisionen entstehen, sind sehr hell", erklärt
Kevin Schawinski von der Yale University, der die Untersuchung leitete.
"Bei den Objekten, die wir für unsere Studie betrachtet haben, handelt es sich
mehr um die typischen Quasare. Sie sind deutlich leuchtschwächer. Die Quasare
aus den Kollisionen bekommen fast die gesamte Aufmerksamkeit, weil sie so hell
sind und ihre Galaxien auch so ungewöhnlich aussehen. Die meisten Schwarzen
Löcher wachsen aber in den Brot-und-Butter-Quasaren. Sie sind der Regelfall und
brauchen zum Leuchten keine spektakuläre Kollision." Die Ergebnisse des Teams um
Schawinski werden in einem Beitrag für die Fachzeitschrift Monthly
Notices of the Royal Astronomical Society beschrieben, der in Kürze
erscheinen wird.
Die Astronomen hatten für ihre Untersuchung 30 durch Staub verhüllte Galaxien
ausgewählt, die auf Infrarotbildern des Weltraumteleskops Spitzer
extrem hell erschienen. Dies gilt in der Regel als Hinweis auf ein
supermassereiches Schwarzes Loch, das gerade Material aus seiner Umgebung
verschluckt. Der Staub sorgt allerdings dafür, dass der Quasar im sichtbaren
Bereich des Lichts nicht sonderlich auffällig ist. Alle betrachteten Galaxien
ähneln in etwa unserer Milchstraße.
Schawinski untersuchte die Galaxien dann mit Hilfe von Bildern im nahen
Infrarot, die mit der Wide Field Camera 3 des Weltraumteleskops
Hubble gemacht wurden. Auf diesen Aufnahmen lässt sich erkennen, ob die
Galaxien kürzlich in eine Kollision verwickelt waren. Nach einem solchen
galaktischen Zusammentreffen sehen Galaxien meist sehr "zerrupft" und
unregelmäßig aus. Nur bei einer Galaxie entdeckte Schawinski allerdings Hinweise
auf eine Kollision.
Die Schwarzen Löcher in den Galaxien werden also offenbar durch relativ
unauffällige Prozesse gefüttert: "Es dürfte sich wohl um eine Kombination
mehrerer Prozesse handeln, wie zufällige Gasströme, Supernova-Explosionen, das
Verschlucken kleinerer Objekte oder Ströme aus Gas und Sternen in Richtung des
Zentrums", vermutet Schawinski.
Ein Schwarzes Loch benötigt nämlich eigentlich nicht viel Material, um sich
in einen Quasar zu verwandeln: "Auch in der Milchstraße gibt es in einem Umkreis
von einigen Lichtjahren um das Zentrum ausreichend Gas, um unsere Galaxie zum
Quasar zu machen", so Schawinski. "Es passiert nur nicht. Es könnte aber
passieren, wenn einige dieser kleinen Gaswolken in das Schwarze Loch geraten.
Zufällige Bewegungen und Turbulenzen in der Galaxie könnten dazu führen. Und vor
zehn Millionen Jahren waren solche zufälligen Bewegungen sehr viel häufiger und
es gab auch noch mehr Gas. Zudem existierten auch noch mehr kleinere Galaxien,
die von größeren Galaxien einfach verschluckt wurden."
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