Dunkle Galaxien im jungen Universum
von Stefan Deiters astronews.com
10. Juli 2012
Astronomen glauben mit Hilfe des Very Large Telescope
der europäischen Südsternwarte ESO erstmals dunkle Galaxien in der Frühphase des
Universums aufgespürt zu haben. Die Existenz dieser Gaswolken, in denen sich
kaum Sterne bilden, war von der Theorie vorhergesagt worden. Der Fund gelang
nur, weil ein heller Quasar die Objekte anstrahlt.
In der Umgebung des Quasars HE0109-3518
(roter Kreis) glauben Astronomen das schwache
Leuchten von zwölf dunklen Galaxien (blaue
Kreise) aufgespürt zu haben.
Bild: ESO, Digitized Sky Survey 2 und S.
Cantalupo (UCSC) [Großansicht] |
Dass es dunkle Galaxien geben muss, folgern Astronomen aus ihren Theorien
über die Entstehung und Entwicklung von Galaxien. Diese dunklen Objekte, die
danach in der Frühphase des Universums existiert haben müssen, stellen in den
Modellen nämlich die Grundbausteine der heute beobachteten großen und hellen
Galaxien dar und sollten diese - dank ihres Gasreichtums - mit dem nötigen
Ausgangsmaterial für die Bildung von Sternen versorgt haben. Dunkle Galaxien, so
die Vorhersage, bestanden hauptsächlich aus Gas, konnten dieses Gas aber kaum in
neue Sterne umwandeln.
Da es in dunklen Galaxien somit kaum Sterne gegeben hat, haben sie auch nur
sehr wenig Licht ausgesandt und sind daher äußerst schwer zu entdecken. Dies ist
der Grund dafür, dass es Astronomen trotz großen Anstrengungen in der
Vergangenheit nicht gelungen war, diese von ihnen vorhergesagten Galaxien auch
tatsächlich im jungen Universum nachzuweisen. Es fanden sich lediglich indirekte
Hinweise auf ihre Existenz in den Spektren von entfernten Objekten. Nun aber
glauben die Forscher erstmals direkt einige dieser dunklen Galaxien aufgespürt
zu haben.
"Unser Ansatz bei der Suche nach dunklen Galaxien war es, sie einfach mit
einem hellen Licht zu bestrahlen", erläutert Simon Lilly von der ETH Zürich,
einer der Autoren des Fachartikels über die Beobachtungen, der in der
Zeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society
erscheinen wird. "Wir haben nach dem fluoreszierenden Leuchten des Gases in den
dunklen Galaxien gesucht, das entsteht, wenn sie von der ultravioletten
Strahlung eines nahen und sehr hellen Quasars beschienen werden. Das Licht des
Quasars macht die dunklen Galaxien sichtbar, genauso wie weiße Kleidung durch
UV-Lampen in Nachtclubs zu leuchten anfängt."
Mit dem Instrument FORS2 des Very Large Telescope der
europäischen Südsternwarte ESO auf dem Gipfel des Paranal in Chile haben die
Astronomen den Bereich rund um den hellen Quasar HE 0109-3518 nach dem
verräterischen Leuchten abgesucht, das entsteht, wenn Wasserstoffgas einer
intensiven Strahlung ausgesetzt wird. Bei diesem Leuchten handelt es sich
eigentlich um ultraviolettes Licht, das allerdings auf dem Weg zur Erde durch
die Ausdehnung des Universums in den sichtbaren Bereich des Lichts verschoben
wird.
Quasare sind aktive Galaxien. In ihren Zentren befindet sich ein
supermassereiches Schwarzes Loch, das gerade große Mengen an Material
verschluckt. Bevor dieses jedoch endgültig in der Schwerkraftfalle verschwindet,
heizt es sich auf extreme Temperaturen auf und sendet dabei eine intensive
Strahlung aus, was Quasare zu äußert hellen Objekten macht, die noch über große
Entfernung zu erkennen sind.
"Nach mehreren Jahren der erfolglosen Suche nach dem fluoreszierenden
Emissionen der dunklen Galaxien, zeigen unsere Ergebnisse nun das Potential
unseres Verfahrens zur Entdeckung und zur Untersuchung dieser faszinierenden und
bislang unsichtbaren Objekte", so Sebastiano Cantalupo von der University of
California in Santa Cruz, der Erstautor des Fachartikels.
Die Astronomen haben insgesamt fast 100 gasförmige Objekte entdeckt, die in
einem Umkreis von bis zu einigen Millionen Lichtjahren des Quasars liegen. Viele
davon mussten sie allerdings wieder ausschließen, da sich ihr Leuchten eventuell
auch durch Sternentstehung erklären lassen würde. So blieben am Ende zwölf
Objekte übrig, bei denen es sich tatsächlich um dunkle Galaxien handeln könnte.
Diese, so ergaben die Untersuchungen, dürften jeweils Gas mit einer
Gesamtmasse enthalten, die etwa der eine Milliarden-fachen Masse unserer Sonne
entspricht. Dies ist eine typische Masse für eine gasreiche, massearme Galaxie
im jungen Universum. Die Sternentstehungsrate in diesen Galaxien dürfte um über
einen Faktor 100 unter dem von normalen Galaxien in dieser Epoche liegen.
"Unsere Beobachtungen mit dem VLT haben Beweise für die Existenz von
kompakten und isolierten dunklen Wolken geliefert", fasst Cantalupo zusammen.
"Die Untersuchung ist daher ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Enthüllung und
zum Verständnis der geheimnisvollen frühen Phase der Galaxienentstehung und zur
Erklärung, woher Galaxien ihr Gas bekommen haben."
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