Bosenova um ein Schwarzes Loch?
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Technischen Universität Wien astronews.com
21. Juni 2012
Wiener Physiker glauben einen Weg gefunden zu haben, wie sich ohne
riesige Teilchenbeschleuniger neue Elementarteilchen entdecken lassen
könnten. Unkompliziert ist das Verfahren allerdings nicht: Die Forscher
benötigen ein Schwarzes Loch, einen möglichst empfindlichen
Gravitationswellendetektor sowie eine Wolke von hypothetischen Axionen,
die in einer Bosenova kollabieren.
So stellt sich ein Künstler Axionen rund um
ein Schwarzes Loch vor.
Bild: F. Aigner / TU Wien |
Wer neue Teilchen finden will, braucht normalerweise viel Energie -
deshalb baut man Beschleuniger, in denen Teilchen fast mit
Lichtgeschwindigkeit zur Kollision gebracht werden. Mit der nötigen
Kreativität könnte es allerdings auch anders klappen: Wissenschaftler
der Technischen Universität Wien haben eine Methode ersonnen, mit der
man die Existenz von hypothetischen "Axionen" nachweisen könnte. Diese
könnten sich nämlich um ein Schwarzes Loch sammeln und der
Schwerkraftfalle Energie entziehen. Dabei wiederum könnten
Gravitationswellen entstehen, die sich messen lassen müssten.
Axionen sind hypothetische Elementarteilchen mit sehr geringer Masse. Weil
sich nach Einstein die Masse direkt in Energie umrechnen lässt, wird auch nicht
viel Energie benötigt, um Axionen entstehen zu lassen. "Die Existenz von Axionen
ist nicht bewiesen, gilt aber als durchaus wahrscheinlich", erläutert Daniel
Grumiller von der TU Wien. Gemeinsam mit Gabriela Mocanu hat er am Institut für
Theoretische Physik berechnet, wie man Axionen theoretisch nachweisen können
müsste.
Die Quantenphysik sagt, dass jedes Teilchen eine Welle ist. Die Wellenlänge
hängt von der Energie des Teilchens ab. Schwere Teilchen haben winzig kleine
Wellenlängen, doch die niederenergetischen Axionen könnten durchaus Wellenlängen
von vielen Kilometern Länge haben. Die Ergebnisse von Grumiller und Mocanu,
deren Untersuchung auf einer Arbeit von Kollegen aus den USA und aus Russland
basiert, zeigen, dass sich die Axionen rund um ein Schwarzes Loch anlagern
könnten, ähnlich wie Elektronen rund um einen Atomkern. Anstelle der
elektromagnetischen Kraft, die Elektronen und Atomkern aneinander bindet, wirkt
zwischen Axionen und dem Schwarzen Loch die Gravitation.
Einen ganz entscheidenden Unterschied gibt es allerdings zwischen den
Elektronen im Atom und den Axionen rund um das Schwarze Loch: Elektronen gehören
zur Gruppe der Fermionen, das bedeutet, dass sich niemals zwei von ihnen im
selben Zustand befinden können. Axionen hingegen sind Bosonen - daher können
sich viele von ihnen gleichzeitig im selben Quanten-Zustand befinden. Als
"Bosonen-Wolke" umgeben sie gemeinsam das Schwarze Loch. Die Bosonen-Wolke
entzieht dem Schwarzen Loch kontinuierlich Energie, die Teilchenzahl in der
Wolke nimmt laufend zu.
Diese Bosonen-Wolke muss allerdings nicht stabil sein: "Ähnlich wie ein
locker aufgehäufter Sandhaufen, der plötzlich abrutschen kann, wenn man noch ein
Sandkörnchen hinzugibt, kann diese Bose-Wolke plötzlich kollabieren", so
Grumiller. Das Spannende daran: Ein solcher Kollaps, eine sogenannte "Bosenova",
könnte man messen: Dieses Ereignis würde Raum und Zeit zum Schwingen bringen und
Gravitationswellen ausstrahlen.
Detektoren für solche Gravitationswellen sind bereits in Betrieb, sind aber
bislang noch nicht empfindlich genug, um Gravitationswellen auch tatsächlich
nachweisen zu können. Auf der ganzen Welt arbeitet man gegenwärtig daran, die
vorhandenen Detektoren entsprechend aufzurüsten, so dass bald die notwendige
Empfindlichkeit erreicht sein könnte. Die Berechnungen von Grumiller und Mocanu,
die in einem Artikel in der Fachzeitschrift Physical Review D
beschrieben sind, zeigen, dass diese Gravitationswellenexperimente nicht nur
neue Information über Astronomie, sondern eventuell auch über neue
Teilchensorten liefern könnten.
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