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CHANDRA
Riesiges Schwarzes Loch aus Galaxie gekickt?
von Stefan Deiters
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6. Juni 2012

Astronomen sind auf Hinweise dafür gestoßen, dass ein supermassereiches Schwarzes Loch mit hoher Geschwindigkeit aus seiner Galaxie gekickt wurde. Die Beobachtungen mit dem NASA-Röntgenteleskop Chandra könnten darauf hindeuten, dass es im Universum noch mehr unsichtbare umhervagabundierende Schwerkraftfallen dieser Größenklasse gibt.

CID-42

Das Objekt CID-42 befindet sich im Zentrum der Galaxie in der Mitte der Übersichtsaufnahme. Die Detailansichten zeigen die Röntgenbeobachtungen von Chandra (oben), nur die optischen Daten (Mitte) und ein kombiniertes Bild aus Röntgendaten und optischen Daten (unten). Bild: NASA / CXC / SAO / F. Civano et al; (Chandra), NASA / STScI (optisch), CFHT, NASA / STScI (optische Übersichtsaufnahme) [Großansicht]

"Das ist schon schwer zu glauben, dass ein supermassereiches Schwarzes Loch mit der vielmillionenfachen Masse unserer Sonne sich überhaupt bewegen kann, geschweige denn mit hoher Geschwindigkeit aus einer Galaxie gekickt wird", gibt Francesca Civano vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) zu, die die Untersuchung geleitet hat. "Doch die neuen Daten stimmen mit der Idee überein, dass Gravitationswellen - also Kräuselungen in der Raumzeit, die Albert Einstein als Erstes vorhergesagt hat, die aber noch nie direkt gemessen wurden - eine sehr starke Kraft ausüben können."

Die jetzt in einem Artikel in der Fachzeitschrift The Astrophysical Journal vorgestellten Beobachtungen mit dem NASA-Röntgenteleskop Chandra interpretieren die Astronomen als Hinweis darauf, dass in einer fernen Galaxie zwei supermassereiche Schwarze Löcher kollidiert und verschmolzen sind. Bei diesem Prozess sollten sehr starke Gravitationswellen abgestrahlt werden. Offenbar geschah dies aber bevorzugt in eine Richtung, so dass das größer gewordene Schwarze Loch durch eine Art Rückstoß aus der Galaxie gekickt wurde.

Häufig dürfte so etwas nach Ansicht der Wissenschaftler zwar nicht passieren, doch könne man auch nicht ausschließen, dass es im Universum noch mehr dieser gigantischen Schwerkraftfallen gibt, die ohne umgebende Galaxie durch das All rasen. "Diese Schwarzen Löcher wären für uns unsichtbar", erklärt Teammitglied Laura Blecha vom CfA, "weil sie sämtliches Gas in ihrer Umgebung verschluckt haben, nachdem sie aus ihrer Heimatgalaxie geworfen worden sind."

Civano und ihr Team waren auf das bemerkenswerte Schicksal des Schwarzen Lochs beim Studium eines CID-42 genannten Objekts im Zentrum einer rund vier Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie gestoßen. Bei Beobachtungen im optischen Wellenlängenbereich mit dem Weltraumteleskop Hubble fielen ihnen dabei zwei deutlich unterscheidbare helle Quellen auf. Die spektrale Untersuchung mit erdgebundenen Teleskopen schien darauf hinzudeuten, dass sich die beiden Quellen mit einer Geschwindigkeit von mindestens 4,5 Millionen Kilometern pro Stunde voneinander entfernen.

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Schon bei früheren Beobachtungen mit dem Röntgenteleskop Chandra hatte man in dieser Region eine helle Röntgenquelle entdeckt, was für die Existenz eines oder mehrerer supermassereicher Schwarzer Löcher spricht, die gerade Material verschlingen. Da Chandra bei den ersten Beobachtungen allerdings nicht direkt auf CID-42 gerichtet war, ergab sich kein eindeutiges und scharfes Bild, so dass die Forscher nicht sicher sein konnten, ob die Röntgenquelle mit einem oder beiden im sichtbaren Bereich des Lichtes erkennbaren Quellen in Zusammengang steht.

"Die früheren Daten haben uns nur gezeigt, dass da etwas ganz Besonderes vor sich geht, aber sie haben uns nicht verraten, ob wir es mit einem oder mit zwei Schwarzen Löchern zu tun haben", so CfA-Teammitglied Martin Elvis. "Wir brauchten neue Röntgendaten, um die Quellen zu trennen."

Bei diesen neuen Beobachtungen stellte sich nun heraus, dass die Röntgenstrahlung nur von einer der beiden im Optischen sichtbaren Quellen stammt. Das Team vermutet, dass sie es bei CID-42 mit den Folgen der Kollision zweier Galaxien zu tun haben, die ursprünglich beide über ein supermassereiches Schwarzes Loch in Zentrum verfügten. Während der Kollision und der anschließenden Verschmelzung der Galaxien kamen sich auch die beiden Schwarzen Löcher sehr nahe, kollidierten und verschmolzen schließlich.

So entstand ein einziges, noch massereicheres Schwarzes Loch, das aber durch die Gravitationswellen, die bei Kollision und Verschmelzung abgestrahlt wurden, einen so großen Rückstoß erhielt, dass es aus der Galaxie entkommen kann. Bei der zweiten, nur im Optischen sichtbaren Quelle dürfte es sich, so die These der Astromomen, um den Sternhaufen handeln, der ursprünglich im Zentrum der Galaxie um das Schwarze Loch existiert hat und nun zurückgeblieben ist. Die Beobachtung würde mit Computersimulationen von Kollisionen Schwarzen Löcher übereinstimmen, die ergeben hätten, dass Schwarze Löcher durch die Abstrahlung von Gravitationswellen tatsächlich einen starken Kick bekommen können.

Es gibt allerdings auch alternative Erklärungsmodelle für die Geschehnisse in CID-42. So könnte es hier zu einer Begegnung von gleich drei supermassereichen Schwarzen Löchern gekommen sein, bei der dann die leichteste Schwerkraftfalle hinausgekickt wurde. Es wäre auch möglich, dass sich in dem System zwei supermassereiche Schwarze Löcher spiralförmig aneinander annähern. Da man mit Chandra jedoch nur eine einzige helle Röntgenquelle beobachtet hat, müsste - damit die Alternativerklärungen mit den Beobachtungen übereinstimmen - mindestens ein Schwarzes Loch so verdeckt sein, dass seine Röntgenabstrahlung größtenteils abgeschirmt wird.

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siehe auch
Schwarze Löcher: Anti-Kick sorgt für Abbremsung nach Kollision - 4. Juni 2010
Galaxienentstehung: Schwarze Löcher im Halo der Milchstraße? - 29. April 2009
Milchstraße: Hunderte vagabundierende Schwarze Löcher? - 10. Januar 2008
Links im WWW
Chandra, Seite des NASA
Preprint des Fachartikels bei arXiv.org
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