Blick auf die Zukunft des Sonnensystems?
von Stefan Deiters astronews.com
4. Mai 2012
Astrophysiker der englischen University of Warwick
haben vier Weiße Zwergsterne entdeckt, die alle von Staub umgeben sind, der
offenbar von zerstörten Gesteinsplaneten mit einer ganz ähnlichen
Zusammensetzung wie die Erde stammt. Der Fund könnte somit einen Blick in die
ferne Zukunft unseres Sonnensystems erlauben, in der auch die Sonne zu einem
Weißen Zwergstern werden wird.

So könnte es
rund um einen der Weißen Zwerge aussehen, den die
Astronomen jetzt entdeckt haben.
Bild: Mark A. Garlick / space-art.co.uk /
University of Warwick |
Während einer gründlichen Kartierung der chemischen Zusammensetzung der
Atmosphären von Weißen Zwergsternen haben Astronomen auch vier Weiße Zwerge
entdeckt, die etwas Besonderes zu sein scheinen. Der Staub um diese Sterne
besteht nämlich größtenteils aus den Elementen Sauerstoff, Magnesium, Eisen und
Silizium und damit genau aus den vier Elementen, die etwa 93 Prozent unserer
Erde ausmachen. Außerdem konnten sie in dem Staub noch einen sehr geringen
Anteil von Kohlenstoff nachweisen - auch dies eine verblüffende Ähnlichkeit mit
der Erde und den anderen Gesteinsplaneten des Sonnensystems.
Erstmals, so die Astronomen, sei in den Atmosphären von Weißen Zwergen, die
offenbar durch Trümmerteile verschmutzt worden sind, ein so niedriger Anteil von
Kohlenstoff nachgewiesen worden. Dies sei nicht nur ein eindeutiger Beweis
dafür, dass diese Sterne einmal von mindestens einem Gesteinsplaneten umrundet
wurden, der inzwischen nicht mehr existiert, sondern könnte auch einen Hinweis
auf die letzte Phase vor der Zerstörung dieser Welten liefern.
Bei Weißen Zwergen handelt es sich um die Endphase im nuklearen Leben eines
sonnenähnlichen Sterns: Der nukleare Brennstoff im Inneren ist verbraucht, die
äußeren Hüllen sind ins All abgeblasen und es ist nur noch ein heißer und sehr
kompakter Kern aus prozessierter Materie übrig. Die Atmosphäre von Weißen
Zwergen besteht hauptsächlich aus Wasserstoff oder Helium oder beidem.
Schwere Elemente, die in diese Atmosphäre geraten, sinken aufgrund der hohen
Anziehungskraft innerhalb kurzer Zeit ins Innere des Sterns und sollten damit
schon nach wenigen Tagen nicht mehr beobachtet werden können. Die Astronomen
vermuten deshalb, dass sie Zeuge davon geworden sind, wie die Reste von
zerstörten Planeten mit einer Rate von bis zu einer Millionen Kilogramm pro
Sekunde auf die Weißen Zwerge hinabregnen.
Als besonders interessant erwies sich ein Weißer Zwerg mit der Bezeichnung
PG0843+516, da sich bei ihm verhältnismäßig viel Eisen, Nickel und Schwefel in
der Atmosphäre nachweisen ließ. Diese Elemente finden sich vor allem in den
Kernen von größeren Gesteinsplaneten, so dass die Wissenschaftler vermuten, dass
dieser spezielle Weiße Zwerg gerade Teile des Kerns eine Planeten verschlingt,
der einmal so groß war, dass sich nach seiner Entstehung eine innere Struktur
aus Kruste, Mantel und Kern wie bei der Erde ausbilden konnte.
"Was wir hier bei diesen Weißen Zwergen in einigen Hundert Lichtjahren
Entfernung sehen, könnte eine Art Schnappschuss der fernen Zukunft der Erde
sein", so Professor Boris Gänsicke von der University of Warwick, der
Leiter der Studie. Über ihre Resultate berichten die Wissenschaftler auch in
einem Fachartikel in der Zeitschrift Monthly Notices of the Royal
Astronomical Society. "Wenn Sterne wie unsere Sonne, das Ende ihres Lebens
erreichen, blähen sie sich zu Roten Riesen auf, sobald ihr nuklearer Brennstoff
im Kern erschöpft ist. Wenn dies in unserem Sonnensystem in einigen Milliarden
Jahren passiert, wird die Sonne die inneren Planeten Merkur und Venus
verschlingen."
Ob die Erde diesem Schicksal entkommt, lässt sich noch nicht sagen. Nur eines
ist sicher: Die Erde wird sich während der Roten Riesenphase auf jeden Fall sehr
nahe an der Oberfläche der aufgeblähten Sonne befinden und deswegen, wenn sie
nicht von der Sonne verschluckt wird, zumindest eine absolute Gluthölle
sein. "Wenn sich unsere Sonne dann in einen Weißen Zwerg verwandelt, wird sie
große Teile ihrer Masse verlieren und alle Planeten werden deswegen nach außen
wandern", so Gänsicke weiter.
"Dies könnte ihre Bahnen destabilisieren und zu Kollisionen führen, ganz wie
in der Frühphase des Sonnensystems. Dabei könnten sogar ganze Gesteinsplaneten
zerstört werden und große Mengen an Asteroiden entstehen, von denen einige eine
Zusammensetzung haben, die der von Planetenkernen gleicht", erläutert der
Astronom. "In unserem Sonnensystem wird Jupiter diese Entwicklung unbeschadet
überstehen und dann alte und neue Asteroiden in Richtung des Weißen Zwergs
lenken."
Die Forscher halten es daher für nicht unwahrscheinlich, dass sie im Falle
von PG0843+516 gerade beobachten, wie ein Fragment aus Kernmaterial eines
zerstörten Gesteinsplaneten auf den Weißen Zwergstern hinabregnet. Für ihre
Studie hatten die Astronomen mehr als 80 Weiße Zwergsterne mit dem Cosmic
Origins Spectrograph des Weltraumteleskops Hubble untersucht.
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