Tiefster Infrarotblick ins All
von Stefan Deiters astronews.com
21. März 2012
Mithilfe des Infrarot-Surveyteleskops VISTA haben
Astronomen jetzt einen tiefen Infrarotblick ins All geworfen. Auf einer heute
von der europäischen Südsternwarte ESO veröffentlichten Aufnahme aus dieser
UltraVISTA genannten Himmelsdurchmusterung sind über 200.000 Galaxien zu sehen.
Und die Beobachtungen sind noch nicht abgeschlossen.
Auf diesem tiefen Blick ins All des
Infrarotteleskops VISTA lassen sich unzählige
Galaxien erkennen.
Bild: ESO / UltraVISTA-Team / TERAPIX /
CNRS / INSU / CASU [Großansicht] |
Deep-Field-Aufnahmen üben eine ganz besondere Faszination aus: Sie
entstehen, wenn leistungsfähige Teleskope viele Stunden oder gar Tage einen
kleinen Bereich am Himmel anvisieren, in dem es auf den ersten Blick rein gar
nichts zu sehen gibt. Durch die lange Beobachtungszeit aber werden in diesem
scheinbar leeren Himmelsbereich plötzlich unzählige weit entfernte Galaxien
sichtbar.
Die berühmteste Deep-Field-Aufnahme dürfte das Hubble Deep Field
sein. Sie entstand in den 1990er Jahren, als der damalige Direktor des Space
Telescope Science Institute die Idee hatte, die ihm als Direktor zur
Verfügung stehende Beobachtungszeit mit Hubble für ein sehr
ungewöhnliches Projekt zu verwenden: Er wollte einen scheinbar dunklen Fleck am
Nordhimmel für viele Stunden beobachten. Das so entstandene Bild, auf dem
unzählige entfernte Galaxien sichtbar wurden, gilt als eine der bedeutendsten
Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops,
führte es einem doch die schier unglaubliche Größe des Universums eindrucksvoll
vor Augen.
Auch das Infrarot-Surveyteleskop VISTA der europäischen Südsternwarte ESO in
Chile hat nun im Rahmen des Projektes UltraVISTA einen solchen "tiefen" Blick
ins All gewagt. Das Teleskop hat dazu immer wieder eine bestimmte Himmelsregion
anvisiert, so dass schließlich mehr als 6.000 Aufnahmen des Bereichs in fünf
verschiedenen Wellenlängenbereichen zusammengekommen sind. Die gesamte
Beobachtungszeit betrug 55 Stunden. Das heute von der ESO veröffentlichte Bild
ist der bislang tiefste Weitwinkel-Infrarotblick ins All.
Das VISTA-Teleskop ist nicht dafür ausgelegt, einzelne Objekte besonders
detailliert abzubilden. Es soll vergleichsweise große Bereiche des Himmels mit
möglichst hoher Auflösung erfassen. VISTA ist das größte Teleskop seiner Art.
Seit Inbetriebnahme hat VISTA bereits große Teile des Südhimmels erfasst und
auch Durchmusterungen einiger kleinerer Himmelsregionen durchgeführt.
Beim Projekt UltraVISTA konzentriert man sich auf das sogenannte COSMOS-Feld,
einem auf den ersten Blick leeren Himmelsbereich, der schon von mehreren anderen
Teleskopen anvisiert wurde, darunter auch vom Weltraumteleskop Hubble (astronews.com
berichtete). UltraVISTA ist die tiefste bislang mit VISTA durchgeführte
Himmelsdurchmusterung, so dass auf dem Bild auch sehr lichtschwache Objekte zu
sehen sind.
Auf den ersten Blick erscheint das UltraVISTA-Bild wenig spektakulär. Zu
erkennen sind einige helle Sterne und zahlreiche leuchtschwächere Objekte. Bei
diesen handelt es sich aber fast ausschließlich nicht um Sterne der Milchstraße,
sondern um weit entfernte Galaxien, die alle Milliarden von Sternen enthalten.
Je näher man das Bild betrachtet, desto mehr entfernte Galaxien werden sichtbar.
Auf dem heute veröffentlichten Bild lassen sich insgesamt mehr als 200.000
Galaxien ausmachen.
Infrarotteleskope wie VISTA sind für die Erfassung entfernter Galaxien
besonders gut geeignet: Durch die Expansion des Universums wird das Licht dieser
Objekte nämlich in Richtung längerer Wellenlängen, also ins Rote, verschoben.
Dadurch kommt der größte Teil des Lichts dieser Systeme im infraroten Bereich
des Spektrums auf der Erde an. Der tiefe Blick ins All ist auch gleichzeitig ein
Blick in die Vergangenheit. Durch das Studium immer entfernterer Galaxien können
Astronomen verfolgen, wie sich Galaxien im Laufe der Zeit zu dem entwickelt
haben, was wir heute in unserer Umgebung sehen können.
Neben den mehr cremefarbenen Galaxien sind auf der Aufnahme auch viele
Tausend bislang unbekannte rötliche Objekte zu erkennen. Dabei handelt es sich
um die entferntesten Galaxien, die wir zu einer Zeit sehen, als das Universum
nur ein Bruchteil seines heutigen Alters hatte. Erste Untersuchungen der
UltraVISTA-Bilder in Kombination mit Aufnahmen anderer Teleskope deuten darauf
hin, dass wir zahlreiche dieser Systeme sogar in einem Zustand vor uns haben,
der dem weniger als eine Milliarde Jahre nach dem Urknall entspricht.
Die UltraVISTA-Beobachtungen sind noch nicht abgeschlossen. Die Astronomen
beobachten jenen Fleck am Himmel auch weiterhin und wollen dann in einigen
Jahren das endgültige Ergebnis vorstellen. Auf diesem dann noch tieferen Blick
ins All dürften zahlreiche weitere entfernte Galaxien zu erkennen sein.
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