Die Blasen der Milchstraße
von Stefan Deiters astronews.com
9. März 2012
Mehr als 35.000 Internetnutzer haben Infrarotaufnahmen der
Scheibe unserer Milchstraße nach Blasen abgesucht und dabei mehr als 5.000
entdeckt. Die Webgemeinde spürte damit zehnmal mehr Blasen auf, als bei früheren
Durchmusterungen gefunden worden waren. Die Blasen entstehen durch junge heiße
Sterne und verraten etwas über die Sternentstehungsaktivität in unserer
Heimatgalaxie.
Blasensuche auf Spitzer-Bildern: Links das
Originalbild von Spitzer, in der Mitte die
überlagerten Markierungen aller Nutzer, rechts
das endgültige Ergebnis des Katalogs.
Bild: NASA/JPL-Caltech / Oxford
University [Großansicht] |
"Diese Entdeckungen lassen uns vermuten, dass die Milchstraße in Sachen
Sternentstehung sehr viel aktiver ist als bislang angenommen", erklärt Eli
Bressert die Bedeutung der Untersuchung. Bressert ist auch einer der Autoren
eines ersten Fachartikels über das Projekt, der in der Fachzeitschrift
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society erscheinen soll. Er
arbeitet bei der Europäischen Südsternwarte ESO in Garching und an der
University of Exeter gerade an seiner Doktorarbeit. "Die Scheibe der
Milchstraße ist wie Champagner, überall gibt es Blasen."
Die entdeckten Blasen entstehen durch heiße junge Sterne und sind somit ein
Hinweis auf Regionen, in denen gerade neue Sterne entstehen. Mit
Computerprogrammen lassen sich blasenähnliche Strukturen allerdings nur sehr
schwer erkennen. Das menschliche Auge ist einfach besser darin, bestimmte Bögen
als Reste von Blasen oder auch sich überlappende Blasen zu erkennen. Das
Milky Way Project baut deswegen auf die Hilfe zahlreicher Internetnutzer,
die Spaß daran haben, die Wissenschaftler bei der Suche nach Blasenstrukturen zu
unterstützen. Mindestens fünf Nutzer müssen auf einem Bild jeweils eine Blase
übereinstimmend erkannt und markiert haben, bevor sie in den neuen Katalog
aufgenommen wird.
"Das Milky Way Project ist ein Versuch, die Fülle von wunderschönen
Spitzer-Daten zu nutzen und aus der Auswertung ein öffentliches
Onlineprojekt zu machen, das auch noch Spaß macht", beschreibt der
wissenschaftliche Verantwortliche Robert Simpson von der englischen Oxford
University das Vorhaben. Die Daten dazu stammen aus zwei umfangreichen
Himmelsdurchmusterungen der Milchstraßenebene, die mit dem Weltraumteleskop
Spitzer durchgeführt wurden.
Die von den über 35.000 Teilnehmern entdeckten Blasen haben ganz verschiedene
Größen. Dies liegt entweder an ihrer Entfernung oder an unterschiedlichen
Eigenschaften der Gaswolken, in denen sie entstanden sind. Für die Astronomen
sind die Blasen ein Hinweis auf Sternentstehungsaktivitäten in unserer Galaxie.
Besonders interessiert sie dabei beispielsweise die "angeregte Sternentstehung".
Die Forscher vermuten nämlich, dass die Blasen, die bei der Geburt massereicher
Sternen entstehen, auch Gas in der Nähe so verdichten können, dass dadurch
weitere Sternentstehung ausgelöst wird.
"Durch das Milky Way Project konnten wir zeigen, dass ein Drittel
aller Blasen zu einer Hierarchie gehören, bei der kleinere Blasen in der Nähe
oder auf dem Rand größerer Blasen zu sehen sind", erläutert Teammitglied Matthew
Povich von der Penn State University. "Das deutet darauf hin, dass neue
Generationen von Sternen von sich ausbreitenden Blasen erzeugt werden."
Auch die Verteilung der Blasen in der Scheibe der Milchstraße hat die
Astronomen teilweise überrascht. So gibt es offenbar deutlich weniger Blasen auf
beiden Seiten des galaktischen Zentrums. "Wir hätten erwartet, dass gerade hier
die Sternentstehung am stärksten ist, weil es hier die höchste Gaskonzentration
gibt", so Bressert. "Dieses Projekt hat deutlich mehr neue Fragen aufgeworfen
als Antworten geliefert."
Die Teilnehmer des Milky Way Projects haben aber nicht nur Blasen,
sondern auch zahlreiche andere Objekte wie Sternhaufen, Dunkelwolken oder
eigentümliche Knoten entdeckt. Und die Suche nach Blasen ist noch nicht
abgeschlossen: Jeder User, der entsprechende Strukturen auf den Bildern
markiert, kann noch immer helfen, den Katalog weiter zu verbessern.
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