Galaxienhaufen mit schwappendem Gas
von Stefan Deiters astronews.com
31. Januar 2012
Astronomen haben in dem rund 480 Millionen Lichtjahre
entfernten Galaxienhaufen Abell 2052 gewaltige Wolken aus heißem Gas entdeckt,
die offenbar wie in einem Weinglas hin- und hergeschwappt sind. Grund dafür dürfte das
Eindringen eines kleineren Galaxienhaufens in den größeren Haufen gewesen sein.
Der Galaxienhaufen Abell 2052. Für dieses
Ansicht wurde Röntgendaten von Chandra und
optische Daten des VLT kombiniert.
Bild: NASA / CXC /
BU / E.Blanton (Chandra) / ESO / VLT (VLT) [Großansicht
| Röntgen-Daten
| VLT-Daten] |
Der Galaxienhaufen Abell 2052, den die Astronomen ins Visier genommen hatten, liegt
rund 480 Millionen Lichtjahre entfernt im Sternbild Schlange. Die optischen
Beobachtungen mit dem Very Large Telescope der europäischen Südsternwarte
ESO wurden
ergänzt durch Röntgenbeobachtungen mit dem NASA-Weltraumteleskop Chandra,
durch die das rund 30 Millionen Grad heiße Gas des Haufens sichtbar wurde - mit
einem durchaus überraschenden Ergebnis.
"Die Bilder im Röntgenbereich waren faszinierend", so Dr. Tracy Clarke vom
US-amerikanischen Naval Research Laboratory. "Wir haben Gas gesehen, das wie in
einem Glas hin- und hergeschwappt ist. Natürlich müsste dies ein riesiges Glas sein, da sich das Ganze
in einer fast eine Millionen Lichtjahre
durchmessenden Region abspielt." Für die durch Chandra sichtbar
gewordene spiralförmige Struktur im heißen Gas ist vermutlich ein kleinerer Galaxienhaufen verantwortlich, der mit dem
größeren Haufen zusammengestoßen ist, wobei dieser nicht genau das Zentrum des
Haufens getroffen hat.
Zunächst hat der kleinere Haufen heißes Gas aus dem Zentralbereich des
größeren Haufens angezogen. Als er dann dessen Zentrum passiert hatte, kehrte
sich diese Bewegung um und das Gas wurde wieder zurück zum Zentrum des größeren
Haufens beschleunigt. Dabei strömte das heiße Gas jedoch über das Zentrum hinaus
und es kam zu dem beobachteten "Schwapp"-Effekt - wie bei einer Flüssigkeit in einem Glas, das
plötzlich zur Seite bewegt wird. Die Anziehungskraft des Galaxienhaufens, die
das Gas weiter anzog, sorgte schließlich für die Entstehung der Spiralstruktur.
Diese Schwapp-Bewegung in Abell 2052 ist für die Astronomen vor allem aus
zwei Gründen interessant: Zum einen kann dadurch kühleres Gas aus dem Zentrum
des Galaxienhaufens in weiter außen liegende Bereiche gelangen. Das kühlere Gas
hat eine Temperatur von rund 10 Millionen Grad Celsius, das heiße Gas von rund
30 Millionen Grad. Das Fehlen von kühlerem Gas im Zentrum sollte also den Kühleffekt
dort verringern, was dann Einfluss auf
die Sternentstehungsrate in der zentralen Galaxie haben dürfte. Außerdem werden
durch die Gasbewegung schwerere Elemente wie Eisen und Sauerstoff, die durch
Supernova-Explosionen entstanden sind, großräumiger verteilt. Solche Elemente
spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von neuen Sternen und Planeten.
Auf den detaillierten Chandra-Bildern waren auch kleinere,
blasenförmige Strukturen im
Zentrum des Galaxienhaufens zu erkennen, die auf Ausbrüche aus der unmittelbaren
Umgebung des supermassereichen Schwarzen Lochs der Zentralgalaxie
zurückzuführen sind. Auch diese Ausbrüche reduzieren die Kühlung des Gases im
Zentrum des Galaxienhaufens und helfen damit, das Wachstum der Galaxie und ihres
supermassereichen Schwarzen Lochs zu begrenzen. Die Astronomen haben ihre
Beobachtungen im vergangenen Jahr in einem Fachartikel in der Zeitschrift
The Astrophysical Journal beschrieben.
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