Die Jugendzeit der massereichsten Galaxien
von Stefan Deiters astronews.com
25. Januar 2012
In zahlreichen Galaxien im jungen Universum entstehen mit
unglaublich hoher Rate neue Sterne. Jetzt glauben Astronomen eine Verbindung zwischen diesen Galaxien und massereichen
Systemen in unserer Nachbarschaft herstellen zu können. Sie fanden auch einen
Grund dafür, warum die Sternentstehung so plötzlich aufgehört hat: ein supermassereiches
Schwarzes Loch.
Ein Blick des Weltraumteleskops Spitzer auf
die Himmelregion im Sternbild Chemischer Ofen, in
der die Astronomen ihre Untersuchungen gemacht
haben. Die APEX-Daten der Galaxien sind hier in
rot dargestellt.
Bild: ESO, APEX (MPIfR/ESO/OSO), A. Weiss
et al., NASA Spitzer Science Center [Großansicht] |
Die jetzt vorgestellten Resultate sind Ergebnis der Auswertung von Daten der
Kamera LABOCA am 12-Meter Teleskop des Atacama Pathfinder Experiments (APEX) und
von Beobachtungen
des Very Large Telescope (VLT) der europäischen Südsternwarte, des
NASA-Infrarot-Weltraumteleskops Spitzer und anderer Teleskope. Ziel der
Astronomen war es, etwas über helle, entfernte Galaxien zu erfahren und
insbesondere darüber, wie
diese sich zu Gruppen oder Haufen zusammentun.
Je enger die Gruppen dieser entfernten Galaxien sind,
desto massereicher sollte nämlich auch ihr Halo aus Dunkler Materie sein. Dunkle Materie macht einen
wesentlichen Teil der Masse von Galaxien aus, ist aber - wie der Name schon sagt
- nicht zu sehen. Messen lässt sich nur ihre Gravitationswirkung. Auf diese
Weise ist man auch auf die Existenz von Dunkler Materie aufmerksam geworden. Man
stellte nämlich fest, dass sich das Rotationsverhalten von Galaxien nicht allein
durch die Masse erklären lässt, die man in Form von Sternen beobachten kann.
Die jetzt untersuchten Galaxien sind so weit von der Erde entfernt, dass ihr
Licht rund zehn Milliarden Jahre unterwegs war, um uns zu erreichen. Wir sehen
sie also so, wie sie vor zehn Milliarden Jahren ausgesehen haben. Bei den
untersuchten Systemen handelt es sich um sogenannte Submillimeter-Galaxien, die
sich durch ihre hohe Sternentstehungsaktivität auszeichnen. Das Licht ihrer
Sterne heizt den Staub in den Galaxien auf, der dadurch im Infraroten zu
leuchten beginnt. Ihre große Entfernung sorgt aber dafür, dass - wegen der
Rotverschiebung, zu der es durch die Ausdehnung des Universums kommt - dieses
Licht heute am besten im Submillimeter-Wellenlängenbereich zu beobachten ist.
In der Zeit, in der die Galaxien von den Astronomen beobachtet wurden, durchlaufen sie
gerade ihre intensivste Sternentstehungsphase, einen sogenannte
Sternentstehungsausbruch oder Starburst. Durch die Bestimmung der Masse der
Halos aus Dunkler Materie um diese Galaxien und mit Hilfe von
Computersimulationen, die etwas über das Anwachsen solcher Halos im Verlaufe der
weiteren Entwicklung verraten,
gelangten die Astronomen zu der Überzeugung, dass aus diesen entfernten Galaxien
einmal elliptische Riesengalaxien werden - die größten heute in unserer
kosmischen Umgebung bekannten
Galaxienformen.
"Es ist das erste Mal, dass es gelungen ist, eine klare Verbindung
zwischen den Galaxien mit den heftigsten Starbursts im frühen Universum und den
massereichsten Galaxien die wir heute kennen, herzustellen", so der
verantwortliche Wissenschaftler der Untersuchung Ryan Hickox vom Dartmouth
College in den USA und der Universität im englischen Durham. Hickox ist
auch Erstautor eines Fachartikels, der morgen in der Zeitschrift Monthly
Notices of the Royal Astronomical Society erscheint.
Die neuen Beobachtungen lieferten zudem Hinweise darauf, dass die Phase
intensiver Sternentstehung in den entfernten Galaxien gerade einmal 100
Millionen Jahre andauerte - für Kosmologen eine verhältnismäßig kurze
Zeitspanne. Trotzdem konnten die Galaxien in dieser Zeit die Menge an Sternen in
ihnen verdoppeln. Was die Ursache für das abrupte Ende dieser Phase extremen
Wachstums war, ist den Astronomen noch nicht ganz klar. "Wir wissen, dass die
massereichsten elliptischen Galaxien vor langer Zeit recht plötzlich aufgehört
haben, Sterne zu produzieren und nun passiv sind", erläutert Teammitglied Julie
Wardlow von der University of California in Irvine und der Durham
University. "Wissenschaftler fragen sich, was wohl mächtig genug sein
konnte, um die Sternentstehung in einer gesamten Galaxie praktisch
abzuschalten."
Eine Antwort könnte sich in den Beobachtungsdaten der Astronomen finden: Das
Team stellte nämlich fest, dass in jener Epoche die beobachteten
Starburst-Galaxien ähnlich angeordnet sind wie Quasare, was darauf hindeuten
könnte, dass sie sich in den gleichen Halos aus Dunkler Materie befinden.
Quasare zählen zu den hellsten Objekten im Universum. Es handelt sich um
Galaxien, in deren Zentrum ein supermassereiches Schwarzes Loch gerade mit hoher
Rate Material verschlingt.
Die intensive Sternentstehung in einer Galaxie könnte nun dafür sorgen, dass
einem supermassereichen Schwarzen Loch im Zentrum große Mengen an Material
zugeführt werden und es auf diese Weise gefüttert wird. Die unmittelbare
Umgebung eines aktiven Schwarzen Lochs sendet aber starke Strahlung aus, die das
in der Galaxie noch vorhandene Gas praktisch wegbläst. Dieses Gas jedoch ist das
Rohmaterial für neue Sterne, so dass die Sternentstehungsphase dadurch beendet
wird.
"Zusammengefasst bedeutet die glorreiche Phase intensiver Sternentstehung in
einer Galaxie auch gleichzeitig das schnelle Ende dieser Aktivität, da dadurch
das Schwarze Loch im Zentrum gefüttert wird, das durch seine Strahlung dann die
Wolken, in denen die Sternentstehung abläuft, einfach wegbläst oder zerstört",
so Teammitglied David Alexander von der Durham University.
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