Gab es einst fünf Gasriesen?
von Stefan Deiters astronews.com
16. November 2011
Im Sonnensystem könnte es ursprünglich fünf Gasriesen
gegeben haben - dies vermutet zumindest ein amerikanischer Astronom nach
Auswertung umfangreicher Simulationen über die frühe dynamische Entwicklung des
Sonnensystems. Ein Gasriese wurde danach bald aus dem Planetensystem
geschleudert und könnte so die inneren Planeten vor der Zerstörung bewahrt
haben.
Könnte es irgendwo im interstellaren Raum
noch einen Gasriesen geben, der einst Teil des
Sonnensystems war?
Bild: Southwest Research Institute |
"Wir haben ganz verschiedene Hinweise über die frühe Entwicklung des Sonnensystems", erläutert Dr. David Nesvorny vom
Southwest Research Institute. "Beispiele sind etwa die Population von Trans-Neptun-Objekten im Kuipergürtel
oder die Krater auf dem Mond."
Alle diese Hinweise sprechen dafür, dass die Bahnen der Gasriesen rund 600 Millionen Jahre nach Entstehung des Sonnensystems instabil waren. Dies
führte beispielsweise dazu, dass kleine Objekte in die Region des heutigen Kuipergürtels abgelenkt wurden und andere in Richtung des inneren Sonnensystems, wo sie oft mit den dortigen Planeten und
auch dem Mond kollidierten. Jupiter selbst wanderte dabei weiter ins Innere des Systems.
Allerdings
gab es für die Astronomen mit diesem Szenario ein gravierendes Problem: Hätte sich der Orbit von Jupiter durch die
Wechselwirkung mit zahlreichen kleinen Objekten nur langsam verändert, wären dadurch
- nach den Regeln der Planetendynamik - automatisch die Bahnen der inneren Planeten gehörig durcheinander geraten.
Dies hätte schließlich dazu führen können, dass beispielsweise die Erde mit Mars oder Venus kollidiert wäre.
"Kollegen haben dann einen sehr cleveren Ausweg aus diesem Dilemma vorgeschlagen",
erläutert Nesvorny. "Der Orbit von Jupiter könnte sich in der Phase der dynamischen Instabilität im äußeren Sonnensystem durch eine Streuung an Neptun oder Uranus sehr schnell verändert haben." Dadurch wären
dann die Planeten im inneren Sonnensystem deutlich weniger gestört worden.
Mit Hilfe von Computersimulationen wollte Nesvorny
nun genau diese These überprüfen. Nachdem er sein Modell mehrere tausend Mal hat
durchlaufen lassen, stellte er fest, dass Jupiter durch eine Streuung an Neptun oder Uranus zwar tatsächlich wie gehofft sehr schnell seinen Orbit verändern
konnte, dabei allerdings gleichzeitig entweder Uranus oder Neptun aus dem
Sonnensystem gekickt wurde. "Irgendetwas war eindeutig falsch", so Nesvorny.
Beim Blick auf seine Ergebnisse fragte sich Nesvorny schließlich, ob es im frühen Sonnensystem
nicht einfach einen weiteren, also fünften Gasriesen gegeben haben könnte. Als er nun seine Simulationen mit einem
solchen fünften Planeten in der Größe von Neptun und Uranus durchführte, passte plötzlich alles: Ein Planet wurde aus dem Sonnensystem geschleudert, vier Gasplaneten blieben zurück und die inneren Planeten
ungestört.
"Die Möglichkeit, dass das Sonnensystem ursprünglich mehr als vier Gasriesen
hatte und einige davon hinausgekickt wurden, erscheint auch durch die Entdeckung
von zahlreichen planetenähnichen Objekten im interstellaren Raum immer
wahrscheinlicher", so Nesvorny. "Das Hinauskicken von Planeten könnte somit ein
relativ normaler Vorgang sein." Nesvorny veröffentlichte seine Resultate jetzt
online in der Fachzeitschrift Astrophysical Journal Letters.
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