Wie ein Zwilling von Pluto
von Stefan Deiters astronews.com
27. Oktober 2011
Die Entdeckung des Zwergplaneten Eris sorgte vor einigen
Jahren für erhebliche Aufregung und führte schließlich dazu, dass Pluto von der
Internationalen Astronomischen Union zum Zwergplaneten degradiert wurde. Während
einer Sternbedeckung konnten Astronomen nun den Durchmesser von Eris präzise
bestimmen. Er scheint genauso groß zu sein wie Pluto.
So könnte der Zwergplanet Eris nach Ansicht
der Astronomen aussehen.
Bild: ESO/L. Calçada |
Im November 2010 wanderte der Zwergplanet Eris, von der Erde aus
betrachtet, genau vor einem entfernten Stern vorüber - ein Ereignis, das
Astronomen als Okkultation bezeichnen. Gerade bei weit entfernten und
vergleichsweise kleinen Objekten des Sonnensystems sind solche Okkultationen
relativ schwer zu beobachten und kommen zudem auch nicht sehr häufig vor. Die
nächste Okkultation, an der Eris beteiligt ist, ereignet sich beispielsweise
erst 2013. Trotzdem versuchen Astronomen mit erheblichem Aufwand, diese
Ereignisse zu verfolgen, bieten sie doch oft die einzige Möglichkeit, Form und
Größe eines entfernten Objekts im Sonnensystem zu bestimmen.
Der Stern für die Bedeckung durch Eris wurde auf Bildern des
MPG/ESO-2,2-Meter-Teleskops der europäischen Südsternwarte ESO im chilenischen
La Silla entdeckt, die Beobachtungen dann von einem internationalen
Astronomenteam durchgeführt. Dabei kam unter anderem das Teleskop TRAPPIST
(TRAPPIST steht für TRAnsiting Planets and PlanetesImals Small Telescope)
zum Einsatz, das sich auch in La Silla befindet (astronews.com berichtete).
"Die Beobachtung von Okkultationen durch Objekte des Sonnensystems jenseits
der Neptunbahn erfordert große Präzision und eine genaue Planung", so Bruno
Sicardy vom Observatoire de Paris und Erstautor einer Veröffentlichung
über die Beobachtung, die heute in der Fachzeitschrift Nature
erscheint. "Es ist aber die beste Möglichkeit, die Größe von Eris zu bestimmen,
wenn man nicht selbst hinfliegen möchte." An insgesamt 26 verschiedenen Stellen
auf der Erde wurde im vergangenen Jahr versucht, die Okkultation zu beobachten,
doch gelang es nur von zwei Orten in Chile aus, das Ereignis direkt zu
verfolgen: mit TRAPPIST in La Silla und mit zwei Teleskopen in San Pedro de
Atacama. Alle drei Teleskope registrierten die plötzliche Helligkeitsabnahme des
fernen Sterns, als Eris vor diesem vorüberzog.
Die Beobachtungen ergaben, dass es sich bei Eris um ein nahezu kugelförmiges
Objekt handeln muss. Der Zwergplanet war 2005 entdeckt worden und wurde zunächst
als "zehnter Planet" bezeichnet, was eine große Debatte darüber auslöste, welche
Kriterien eigentlich einen Planeten ausmachen. Insbesondere konnten viele nicht
verstehen, warum man Eris den Planetenstatus verweigern wollte, obwohl die
Neuentdeckung doch nach ersten Schätzungen mit einem Durchmesser von 3.000
Kilometern erheblich größer zu sein schien als Pluto. Die Internationale
Astronomische Union erklärte 2006 dann Pluto und Eris zu Zwergplaneten (astronews.com
berichtete wiederholt).
Nach den jetzt vorgelegten Messungen ist Eris nicht größer als Pluto und hat
einen Durchmesser von 2.326 Kilometern, wobei die Ungenauigkeit mit zwölf
Kilometern angegeben wird. Der Durchmesser von Pluto ist etwas weniger genau
bekannt und wird auf 2.300 bis 2.400 Kilometer geschätzt. Plutos Durchmesser ist
deswegen schwerer zu bestimmen, weil der Planet über eine dünne Atmosphäre
verfügt, so dass sein Rand bei Sternbedeckungen nicht klar erkennbar ist.
Aus der Bewegung des Erismondes Dysnomia bestimmten die Astronomen zudem die
Masse des Zwergplaneten. Sie liegt 27 Prozent über der von Pluto, woraus sich
eine Dichte von 2,52 Gramm pro Kubikzentimeter ergibt. "Die Dichte deutet darauf
hin, dass es sich bei Eris vermutlich um einen großen Brocken aus Gestein
handelt, der von einem relativ dünnen Eismantel überzogen ist", so Emmanuel
Jehin vom Institut d'Astrophysique de I'Université de Liège in Belgien.
Die Oberfläche von Eris weist ein sehr hohes Reflexionsvermögen auf und
strahlt 96 Prozent des einfallenden Lichts wieder ab. Damit ist der Zwergplanet
sogar heller als frisch gefallener Schnee auf der Erde und zählt zu den am
stärksten reflektierenden Objekten im Sonnensystem. Grund dafür ist, so das
Urteil der Astronomen nach Auswertung des Spektrums des Zwergplaneten, eine
vermutlich nur weniger als einen Millimeter dicke Schicht aus Stickstoff-reichem
Eis, das mit gefrorenem Methan vermischt ist.
"Diese Eisschicht könnte entstehen, wenn die Atmosphäre aus Methan und
Stickstoff sich als Frost auf der Oberfläche absetzt, sobald der Zwergplanet auf
seinem langgestreckten Orbit sich von der Sonne entfernt und so in immer kältere
Regionen gelangt", vermutet Jehin. Aus dem Eis könnte sich später wieder eine
Atmosphäre bilden, wenn sich Eris am sonnennächsten Punkt seiner Bahn befindet,
auf dem der Zwergplanet nur 5,7 Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt ist.
Die maximale Entfernung von Eris von unserem Zentralgestirn beträgt 14,6
Milliarden Kilometer.
Mit Hilfe der neuen Messungen bestimmten die Astronomen auch eine neue
Oberflächentemperatur für Eris: Sie beträgt maximal -238 Grad Celsius auf der
sonnenzugewandten Seite, auf der Nachtseite dürfte es noch kälter sein. "Es ist
schon faszinierend, wie viel man über eine so kleine und entfernte Welt wie Eris
herausfinden kann, indem man verfolgt, wie sie vor einem leuchtschwachen Stern
entlangwandert - und dies mit relativ kleinen Teleskopen", so Sicary. "Fünf
Jahre nachdem man die Kategorie der Zwergplaneten geschaffen hat, lernen wir
jetzt ein 'Gründungsmitglied' etwas besser kennen."
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