Stammt das irdische Wasser von Kometen?
von Stefan Deiters astronews.com
6. Oktober 2011
Mithilfe des europäischen Infrarot-Weltraumteleskops
Herschel fanden Wissenschaftler nun neue Hinweise darauf, dass das irdische
Wasser durch Einschläge von Kometen auf die Erde gelangt sein könnte. Die Forscher
entdeckten bei Beobachtungen des Kometen Hartley 2, dass dessen Wasser nahezu die
gleiche Zusammensetzung hat wie das der Ozeane der Erde.
Die Bahn des Kometen Hartley 2 im Verhältnis
zu den Bahnen der fünf inneren Planeten. Der
Komet hatte sich am 20. Oktober 2010 der Erde bis
auf 19,45 Millionen Kilometer angenähert. Rechts
ist ein Bild des Kometen zu sehen, das mit dem Instrument PACS an
Bord von Herschel gemacht wurde, die beiden Linien
sind die Wasser-Daten von HIFI.
Bild: ESA / AOES Medialab; Herschel /
HssO Consortium [Großansicht] |
Die Frage, woher das Wasser auf der Erde stammt, ist weniger
leicht zu beantworten, als man vielleicht zunächst denken mag: Nach ihrer
Entstehung war unser Planet nämlich zunächst so heiß, dass alles ursprünglich
einmal vorhandene Wasser verdampft sein muss. Trotzdem sind heute zwei Drittel
der Erdoberfläche mit Wasser bedeckt. Das lebenswichtige Nass muss also - nachdem die
Erde sich abgekühlt hatte - irgendwie wieder auf den Planeten gelangt sein.
Als mögliche außerirdische Quelle für Wasser fallen einem schnell
Kometen ein, die auch gerne als "schmutzige Schneebälle" bezeichnet
werden. Ihre Bahnen führen sie zudem immer wieder ins innere Sonnensystem, so
dass Kollisionen mit Planeten nicht unwahrscheinlich erscheinen, insbesondere in
der turbulenteren Anfangsphase des Sonnensystems, als noch deutlich mehr Brocken
herumvagabundierten. Sogar heute kommt es noch zu Kollisionen zwischen
Kometen und Planeten, wie beispielsweise der eindrucksvolle Zusammenstoß von Shoemaker-Levy 9
mit Jupiter im Jahr 1994 zeigte.
Allerdings hatten Astronomen bislang erhebliche Probleme, diese schöne
Theorie auch mit Beobachtungen zu verifizieren. Dazu interessieren sie sich
insbesondere für eine spezielle Form von Wasserstoff, sogenanntes Deuterium, das in
jedem Wasser zu einem bestimmten Anteil vorhanden ist. Deuterium ist
zusammen mit Wasserstoff unmittelbar nach dem Urknall entstanden. Seitdem steht
auch das globale Verhältnis der beiden Atomarten zueinander fest.
Lokal kann dieses
Verhältnis jedoch ganz verschieden sein: So können die Umweltbedingungen bei der Entstehung von Eis im
Weltall dafür sorgen, dass es wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher ist, dass
in einem Wassermolekül, das normalerweise aus einem Sauerstoffatom und zwei
Wasserstoffatomen besteht, eines der Wasserstoffatome durch ein Deuteriumatom
ersetzt wird. Durch den Vergleich des Deuteriumanteils des Wassers in den
Ozeanen der Erde mit dem von Wasser in Kometen oder anderen Objekten, können
Astronomen somit feststellen, ob die betreffenden Objekte als Wasserquelle für die
Erde überhaupt in Frage kommen.
Und genau hier lag das Problem: Alle Kometen, die man bislang untersucht hatte,
wiesen einen Deuteriumgehalt auf, der doppelt so hoch war wie der in den Ozeanen
der Erde. Diese Kometen können also nur zu einem geringen Teil für das Wasser
auf der Erde verantwortlich sein. Die Astronomen hatten deswegen schon
Meteoriten als Wasserquelle in Verdacht, obwohl diese deutlich weniger Wasser
enthalten als Kometen.
Die jetzt vorgestellten Beobachtungen des Kometen Hartley 2 könnten die Lage
allerdings wieder ändern: Mit dem Instrument HIFI an Bord des europäischen
Weltraumteleskops Herschel gelang es den Forschern nachzuweisen, dass zumindest
dieser Komet Wasser mit einer ozeanähnlichen Zusammensetzung enthält. "Das
Verhältnis von Deuterium zu Wasserstoff ist fast identisch mit dem des Wassers
in den Ozeanen der Erde", erläutert Paul Hartogh vom Max-Planck-Institut für
Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau, der das Forscherteam leitete.
Herschel hatte Hartley 2 vor rund einem Jahr beobachtet, als sich der Komet auf
seinem Weg durch das innere Sonnensystem in Erdnähe befand.
Doch warum ist Hartley 2 anders als die zuvor untersuchten Kometen? Dies könnte
an seinem Ursprungsort liegen: Harley 2 stammt aus dem Kuipergürtel, einer Region jenseits der Bahn des äußersten Planeten Neptun. Alle
anderen bislang untersuchten Kometen stammen zwar aus der Oortschen Wolke, die
noch deutlich weiter entfernt ist als der Kuipergürtel, entstanden aber
vermutlich in der Nähe von Jupiter und
Saturn und wurden später durch den gravitativen Einfluss der Gasriesen in die
äußersten Randbereiche des Sonnensystems katapultiert.
Nach den neuen Beobachtungen könnte das Wasser in den Ozeanen der Erde also
tatsächlich durch Kometen auf den Planeten gelangt sein, allerdings nur durch
Kometen, die in den äußeren Bereichen des Sonnensystems entstanden sind. In diesen
kälteren Regionen könnte sich Wassereis gebildet haben, dessen Deuteriumanteil
sich deutlich von dem des Wassers unterscheidet, das sich im
wärmeren inneren Sonnensystem gebildet hat.
Die Astronomen wollen mit Herschel nun weitere Kometen untersuchen, um ihre These zu
verifizieren. "Durch diese Entdeckung von Herschel wurde eine alte und sehr
interessante Diskussion wiederbelebt", freut sich Göran Pilbratt,
Projektwissenschaftler für Herschel bei der ESA. "Jetzt sind wir gespannt, zu
welchen Schlüssen diese Entdeckung schließlich führt."
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